Putin geht über die Bücher
Ukraine verschwindet aus russischem Geschichtsunterricht

Eine von Russlands schärfsten Waffen im Ukraine-Krieg ist die Propagandaverbreitung in der Bevölkerung. Die Geschichte der Ukraine wurde in Russland aus den Lehrbüchern gestrichen und alles mit Bezug auf Kiew ersetzt. Doch auch die Ukraine passt den Lehrplan an.
Publiziert: 21.04.2023 um 18:36 Uhr
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Die patriotische Erziehung und die Vorbereitung auf den Krieg ist in Russland bereits Alltag.
Foto: Wikipedia
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Jenny WagnerRedaktorin News

Der russische Präsident Wladimir Putin (70) will nicht nur die Zukunft verändern, sondern auch die Vergangenheit. Er stellte in mehreren Reden klar, dass die Ukraine vom kommunistischen Russland erschaffen worden sei und keine Geschichte habe. Diese Propaganda fliesst nun in die Schulbücher russischer Kinder.

In einer Neuauflage der russischen Geschichtsbücher für die vierte Klasse existiert Kiew nicht. Das russische Investigativportal Mediazona hat die Ausgabe des Geschichtsbuches «Die Welt um uns herum» von 2021 mit der neusten verglichen. Jeglicher Bezug zu Kiew wurde in der aktuellen Version geändert. Ein Mönch aus dem berühmten Kiewer Höhlenkloster beispielsweise wurde einfach zu einem Mönch.

Eine der berühmtesten Figuren der russischen Geschichte ist Knjas Wladimir, der Alleinherrscher der Kiewer Rus. Die Kiewer Rus waren ein altslawisches Volk im Mittelalter. Ihr Grossreich gilt als Vorläuferstaat, aus dem sich die Ukraine, Belarus und Russland bildeten. Kiew war die Hauptstadt, in der Knjas Wladimir die Menschen taufte – die Geburtsstunde der russischen Orthodoxie. In Putins neuen Geschichtsbüchern steht nun, dass die Rus in der Hauptstadt getauft wurden. Anstatt das Grossreich Kiewer Rus zu regieren, regierte der Adlige Knjas Igor jetzt laut Geschichtsbuch Russland.

Schulbücher werden angepasst

Die Geschichtsbücher werden nun gedruckt und kommen ab dem nächsten Schuljahr zum Einsatz. Der ehemalige Kulturminister Wladimir Medinskij kündigte bereits im April 2022 an, dass Geschichtsbücher «unter Berücksichtigung der historischen Ereignisse dieses Jahres» verändert würden. Damals verwies er auf die «Spezialoperation» und auf die von Russland annektierten Gebiete in der Ukraine. «Diese Fakten werden sich natürlich in den neuen Schulbüchern widerspiegeln», sagte Medinskij.

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Laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium gehen russische Truppen in den annektierten Regionen der Ukraine vehement gegen ukrainische Literatur vor. Bücher, die von den Besatzern als ideologisch gewertet werden, werden zerstört.

Auch Ukraine geht über die Bücher

Putins Propaganda wird in Russland bereits Kindern indoktriniert. Doch nicht nur Russland verändert den Schulplan. Auch der ukrainische Lehrplan wurde geändert. Die Lehrpläne seien «unter Berücksichtigung neuer geschichtlicher Entwicklungen» angepasst worden, hiess es vonseiten des Ministeriums.

Klassiker von russischen Autoren – zum Beispiel «Krieg und Frieden» von Leo Tolstoi – wurden vom Lehrplan genommen. Auch Puschkin, Dostojewski und 40 weitere Autoren gehören nicht mehr zur Pflichtlektüre. Stattdessen werden Werke von Jean de la Fontaine, Anna Gavalda und John Boyne gelesen. Die russische Sprache verschwindet aber nicht aus dem Unterricht, Werke von Nikolai Gogol, Wladimir Korolenko und eines von Michail Bulgakow dürfen bleiben, weil sie entweder ukrainische Vorfahren haben oder eine besondere Nähe zum Land aufwiesen.

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