Im Museum für die Schlacht von Stalingrad im russischen Wolgograd stehen Dutzende von Kindern und Jugendlichen im Kreis, um den Eid auf die Jugendarmee (Junarmija) zu leisten. Die Halle des Triumphes ist ganz in weissem Marmor gehalten und mit Symbolen der Roten Armee dekoriert. «Schwört ihr dem Mutterland ewige Treue?», fragt ein Gruppenleiter die Kinder in ihren beigefarbenen Hosen und roten Kappen. «Ich schwöre», antworten alle im Chor.
Patriotische Erziehung erlebt in Russland seit Jahren einen Aufschwung, aber seit der Kreml vor fast einem Jahr Truppen in die Ukraine entsandte, hat sie noch stärker an Bedeutung gewonnen. Laut der Website der Jugendarmee haben sich mehr als 1,2 Millionen Kinder und Jugendliche zwischen acht und 18 Jahren der Bewegung angeschlossen, seit sie 2016 von Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) gegründet worden war – «um junge Menschen dazu zu bringen, Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen», hiess es damals.
Über 85 regionale Zentren gibt es bereits. Nach eigenen Angaben waren sie bereits 2020 an jeder Schule des Landes vertreten, wo ihnen eigene Räume zur Verfügung stehen. Diese müssen mit einem Bild von Präsident Wladimir Putin (70) ausgestattet sein, ausserdem mit der russischen Flagge, Landkarten und einer Auswahl an Kleinwaffen.
Junarmija hat Parallelen zu sowjetischen Bewegungen
Die Jugendarmee legt einen Schwerpunkt auf die Erinnerung an den Sieg der Sowjetarmee über die Wehrmacht. In Wolgograd – dem früheren Stalingrad – ist das Gedenken an die 200-tägige Schlacht zwischen der Roten Armee und den deutschen Soldaten zum zentralen Element des russischen Patriotismus geworden. Am 2. Februar wird der 80. Jahrestag des sowjetischen Sieges in Stalingrad gefeiert. Die Jugendarmee wird oft auch als Russlands Neuauflage der sowjetischen Pionier- und Komsomolzenbewegung für das 21. Jahrhundert beschrieben – allerdings mit anderen Uniformen und schicker Präsenz in den Onlinenetzwerken.
Mehr zu Kindern im russischen Krieg
Manche Eltern schauen zu, wie ihre Kinder vor Politikern, Kriegsveteranen und örtlichen Leitern der Jugendarmee den Treueschwur ablegen. Die 31-jährige Darja Tschertkowa erzählt, ihr zwölfjähriger Sohn Stanislaw habe sich ganz allein «bewusst entschieden», der Bewegung beizutreten. «Wir haben das unterstützt», sagt sie der AFP.
Die Familie sei immer patriotisch gewesen und habe sich für die Vergangenheit interessiert, erklärt sie. Aber jetzt habe Moskaus Offensive in der Ukraine und deren Folgen sie motiviert, noch einen Schritt weiterzugehen. «Stanislaw weiss Bescheid über die besondere Militäroperation», sagt Tschertkowa unter Verwendung der offiziellen russischen Bezeichnung für die Offensive im Nachbarland. «Seine Entscheidung wurde teilweise davon beeinflusst, was auf der Welt passiert.» Sie hofft, dass auch ihr sechsjähriger Sohn der Bewegung beitreten wird. «Ich glaube, für einen Jungen ist es am wichtigsten, unser Land zu lieben, sein Mutterland zu verteidigen, Patriot zu sein.» (AFP/chs)