Schulfach Schiessen in Polen
Sollten auch Schweizer Schüler zur Waffe greifen?

Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine hat Polen Schiesstraining an Schulen eingeführt. Im Kanton Bern wurde ein ähnlicher SVP-Vorstoss im vergangenen Jahr abgelehnt. Blick hat Experten zu Vor- und Nachteilen einer solchen Massnahme befragt.
Publiziert: 16:53 Uhr
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Aktualisiert: 17:03 Uhr
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Wladimir Putin führt Krieg in Europa.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Polen führt obligatorisches Schiesstraining in Schulen ein
  • Schweizer Verband: Schiesssport kann Konzentration und Ausdauer bei Jugendlichen steigern
  • Kinderpsychologe ist skeptisch
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marian NadlerRedaktor News

Seit dem Schuljahr 2022/23 ist das Fach «Sicherheitserziehung» in allen polnischen Schulen obligatorisch. Es beinhaltet Themen wie Erste Hilfe, Verhalten in Katastrophensituationen – und seit dem Schuljahr 2024/25 auch obligatorisches Schiesstraining.

Die Einführung des Faches erfolgte als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg im Nachbarland Ukraine. Seit Beginn des Konflikts im Jahr 2022 haben Kremlchef Wladimir Putin (72) und seine Propagandisten immer wieder auch einen Angriff auf Nato-Staaten angedroht.

SVP-Politiker scheitert mit Vorstoss

Sollte Russland absichtlich den Konflikt suchen, wäre dies nach Einschätzung von Experten am wahrscheinlichsten im Baltikum möglich, etwa an der Suwalki-Lücke, der einzigen Landbrücke zwischen Polen und den baltischen Verbündeten. In Polen nimmt man die Warnungen der Experten ernst.

Wegen des Kriegs wurden auch in der Schweiz Stimmen laut, die ein Schiesstraining in der Schule forderten. Der Berner SVP-Grossrat Nils Fiechter (28) scheiterte im vergangenen Jahr mit seinem Vorstoss, einen obligatorischen Jungschützenkurs und eine obligatorische Schusswaffenausbildung in der Volksschule einzuführen. Sie schiesse gern, sagte Nadja Günthör damals stellvertretend für die SVP-Fraktion. «Aber Schusswaffen passen in etwa so gut in ein Schulzimmer wie Discokugeln.»

Schiesssportverband hebt positive Effekte hervor

Der britische Militärexperte Ed Arnold warnte jüngst davor, dass Putin schon in zwei Jahren ein weiteres Land angreifen könnte. Schüler zu den Waffen also? Blick hat Experten gefragt, was sie davon halten.

Philipp Ammann, Leiter Kommunikation beim Schweizer Schiesssportverband hebt die positiven Effekte des Schiessens hervor. «Sehr oft kann im Sportschiessen bei Jugendlichen eine Steigerung der Konzentrationsfähigkeit sowie die mentale und physische Ausdauer gestärkt werden», erklärt er. Und weiter: «Kürzlich veröffentlichte Studien beschreiben einen positiven Einfluss des Sportschiessens auf Kinder mit ADHS.»

Diese Sicherheitsregeln müssen Kinder an der Waffe beachten

In der Schweiz ist Sportschiessen in einigen Kantonen längst ein Angebot des Schulsports. Dabei müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vier Sicherheitsregeln beachten:

  • Alle Waffen sind immer als geladen zu betrachten.
  • Nie eine Waffe auf etwas richten, das man nicht treffen will.
  • Solange die Visiervorrichtung nicht auf das Ziel gerichtet ist, ist der Zeigefinger ausserhalb des Abzugbügels zu halten.
  • Seines Zieles sicher sein.

Philipp Ramming (69) von der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie (SKJP) glaubt nicht, dass es aktuell notwendig ist, dass Schweizer Jugendliche flächendeckend den Umgang mit Waffen im Unterricht lernen müssen. Die Polen hätten den Feind an der Grenze stehen, eine Schulung an der Waffe ergebe dort Sinn. In der Schweiz sieht es laut Ramming anders aus. Es gebe keine aktuelle, reale Bedrohungslage.

«Investition in Bildung ist die beste Landesverteidigung»

«In dem Moment, wo man dieses Schiesstraining macht, macht man die Jugendlichen schneller erwachsen, als notwendig», erklärt er. Jugendliche bräuchten vielmehr die Möglichkeit, sich an der Gemeinschaft zu beteiligen – «und die Freiheit, Jugendliche sein zu können».

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Desinformation ist für Schweizer Kinder aktuell die grössere Gefahr als ein militärischer Konflikt, glaubt der Experte. «Wichtiger, als zu wissen, wo vorne und hinten bei einem Schiessgerät ist, ist aktuell die geistige Landesverteidigung. Wenn die Jugendlichen wissen, was sie verteidigen und wofür sie kämpfen, nehmen sie notfalls auch die Waffe in die Hand.» Der Kinderpsychologe weiter: «Die Basis für die Abwehr sämtlicher Propaganda ist Bildung.» Er findet: «Zurzeit ist die Investition in Bildung die beste Landesverteidigung.»

Noten gibt es für das Schiessen in Polen übrigens nicht.

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