Der erhoffte Durchbruch der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer gelang nicht. «Der Plan war auf dem Papier gut, aber wir haben die Schützengräben vergessen», sagt der ukrainische Kommandant Ihor zu CNN. Denn: Russland greift seit zwei Monaten wieder verstärkt an. Wenn Ihors Funkgerät angeht, ertönen die Stimmen von Soldaten, die in Not sind. Aber er hat keine Fahrzeuge, die er zur Rettung senden kann.
Die Zahl der Verluste auf beiden Seiten ist hoch. «Jedes Todesopfer macht einen Unterschied», erklärt Ihor. Und: «Das wirkt sich auf die Moral aller aus. Das ist sehr schmerzhaft für mich.» In den Reihen der russischen Armee finden sich auch skrupellose Sträflinge. Sie sind gut ausgebildet und ausgerüstet. Zusätzlich haben die Ukrainer den Verdacht, dass die Soldaten unter Drogeneinfluss kämpfen. Drohnenaufnahmen zeigen, wie ein russischer Soldat nach einer Explosion ohne Beine grinsend aus dem Graben kriecht.
Die Anzahl der Soldaten, die Russland an die Front schickt, ist beachtlich. Auch der Blutzoll ist hoch, denn immer wieder gibt es Berichte von russischen Generälen, die Soldaten ohne Rücksicht auf Verluste in den Kampf ziehen lassen. Aber: «Manchmal haben sie Erfolg», so der Kommandant zu CNN.
Russische Armee hat mittlerweile viele Drohnen
Ein weiteres Problem sind die vielen Drohnen. «Es finden kolossale Veränderungen statt», so Ihor. «Die Russen haben angefangen, ihre eigenen Angriffsdrohnen zu bauen. Sie sind den unseren zahlenmässig überlegen. Aber sie setzen sie schlecht ein, wie ein Kinderspielzeug», sagt er. Immerhin: Teilweise kann die Ukraine die Schwärme abfangen. Neulich gingen der Ukraine 40 Drohnen auf einmal ins Netz.
Auch die Jahreszeit wird zunehmend zur Herausforderung für die Ukraine. Im Winter bleiben die Soldaten mit Fahrzeugen im Schlamm stecken oder stehen knietief im Matsch. Das Phänomen wird «Rasputiza» genannt. Vergangenes Jahr konnte die Ukraine noch ausnutzen, dass die russischen Soldaten mit dem Wetter zu kämpfen hatten. Doch dieses Jahr befinden sie sich selbst in der Angriffsposition – und kommen nicht vorwärts.
Awdijiwka ist hart umkämpft
In der Frontstadt Awdijiwka finden seit Monaten heftige Kämpfe statt. «Bisher ist niemand bereit, sich zurückzuziehen», sagt ein ukrainischer Journalist, der derzeit dort kämpft. Mit Bradley-Panzern und Javelin-Raketen schützen die Ukrainer die Altstadt, während kleine Dörfer in der Umgebung von Awdijiwka von den Feinden erobert werden, schreibt die «Frankfurter Rundschau».
Klar ist: Da Waffenlieferungen aus dem Westen derzeit fehlen, bleibt die Lage an der Front aussichtslos. Kommandant Ihor weiss: «Ohne Unterstützung werden wir es nicht schaffen.» (jwg)