Russischer Kriegsverbrecher identifiziert
Ukrainische Hacker überführen Mariupol-Bomber – dank Ehefrauen

Er hat über 300 Menschenleben auf dem Gewissen: Sergei Atroschenko gab den Befehl zu den Bombenangriffen auf das Theater in Mariupol. Ukrainische Hacker täuschten seine Ehefrau – und fanden so heraus, wer sonst an den grausamen Verbrechen beteiligt war.
Publiziert: 30.03.2023 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2023 um 15:44 Uhr
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Im März 2022 wurde die ukrainische Stadt Mariupol dem Erdboden gleichgemacht.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Jenny WagnerRedaktorin News

Massengräber, zerstörte Gebäude, Verletzte und Tote – die Bilder der russischen Angriffe auf die ukrainische Stadt Mariupol sind unvergessen. Im März 2022 fielen Bomben auf ein Kinderspital, eine Geburtsklinik und auf ein Theater, in dem Zivilisten Zuflucht gesucht hatten. Allein die Bombardierung des Theaters forderte zwischen 300 und 600 Opfer.

Nun schreibt Petro Andruschenko (47), der geflohene Bürgermeister der Stadt, die derzeit von den Russen besetzt ist: «Der Killer der Bewohner von Mariupol wurde identifiziert». Den Befehl zur Bombardierung gab der Sergei Atroschenko (41), Kommandant eines Kampfflieger-Regiments.

Enttarnt hat den mutmasslichen Kriegsverbrecher ein ukrainisches Hackerteam namens Cyberresistance, das seine Ergebnisse auf der Webseite des ukrainischen Recherche-Netzwerk InformNapalm veröffentlicht hat.

Darunter sind persönliche und sensible Daten von Atroschenko. Geboren worden ist er laut Cyberresistance in der ukrainischen Stadt Schytomyr, er wuchs aber in Russland auf und lebte später auf der Krim. Auch Telefonnummern, Adresse, Lohnauszüge, private E-Mails und sogar anzügliche Fotos von Atroschenko haben die Hacker aufgespürt. Die angeblichen Telefonnummern sind mittlerweile gesperrt.

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Ehefrau liess versehentlich Kompanie ins Messer laufen

An die Informationen gelangten die Hacker ihrer eigenen Darstellung zufolge über die Ehefrau des Kommandanten, Lilia Atroschenko (42). Sie gaben sich als Mitglieder der Kompanie aus und überredeten sie, ihrem Ehemann und seiner Einheit eine «Überraschung» zu bereiten. Dafür sollte Lilia Atroschenko Ehefrauen der anderen Kompaniemitglieder kontaktieren.

Atroschenko tat wie geheissen und mobilisierte andere Ehefrauen für ein gemeinsames Fotoshooting. In Uniformen und mit den zahlreichen Orden der Ehemänner an der Brust posierten die Frauen auf dem Flugplatz in der Stadt Primorsko-Achtarsk, von wo die Kampfflugzeuge nach Mariupol starteten, für die Kamera. Ganz im patriotischen Stil, mit Kampfflugzeug im Hintergrund, auf dem gross ein Z-Symbol prangt.

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Ukraine hofft auf internationalen Haftbefehl

Die Fotos, die Atroschenko danach den Hackern zukommen liess, glichen diese darauf mit einem Foto von einer Silvesterparty der Einheit ab. Daran sind Soldaten mit ihren Ehefrauen abgebildet. So kamen die Hacker auch an die Identitäten einiger der Männer, die den blutigen Befehl ihres Kommandanten ausführten. Dass die Frauen beim Fotoshooting die Medaillen ihrer Ehemänner trugen, half dabei.

Die Daten hat InformNapal an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag weitergegeben. Bei der Bombardierung des Theaters handelt es sich um ein Kriegsverbrechen. Die Ukraine hofft nun darauf, dass ein internationaler Strafbefehl gegen Atroschenko erlassen wird.

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