Mariupol wurde dem Erdboden gleichgemacht. In der ukrainischen Hafenstadt sind tausende Zivilisten gestorben, einige wurden vertrieben. Heute sieht Russland die annektierte Stadt als eigenes Territorium und baute in den Ruinen neue Wohnungen.
Wladimir Putin (70) besuchte am Wochenende zum ersten Mal seit Kriegsbeginn die eroberte Stadt. Die Aufnahmen werden auf der Webseite des Kremls veröffentlicht. Es soll ihn als Mann des Volkes zeigen. Doch dabei macht ihm eine Frau einen Strich durch die Rechnung.
«Das ist alles nicht wahr!»
Zu sehen ist, wie Putin mit den Leidtragenden aus Mariupol spricht. Die Begegnung mit ein paar Kreml-freundlichen Einwohnern im neu gebauten Stadtteil Newski wirkt ganz zufällig. «Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet, dürfen wir Sie begrüssen?», fragt ein Mann. Putin geht zu den Anwohnern, reicht ihnen die Hand. «Wohnen Sie hier?», fragt Putin gelassen.
In diesem Moment hört man eine Frau im Hintergrund schreien: «Das ist alles nicht wahr! Das ist nur eine Show!»
Putins Vizepremier Marat Chusnullin (56), der Putin in Mariupol begleitete, dreht sich daraufhin um, um nach der Frau zu suchen. Sie ist im Bild jedoch nicht zu sehen.
Ein «kleines Stück Paradies» in Mariupol
Putin selbst lässt sich vom Störenfried nicht beirren und spricht einfach weiter. «Gefällt es Ihnen?», fragt er. Die Bewohner bejahen.
«Ich hatte nichts mehr», sagt ein alter Mann und berichtet davon, wie er den Bombenanschlag aus Mariupol erlebt hat. «Dann hat man mir diese Wohnung gegeben», fährt er fort. Russische Streitkräfte haben einen Grossteil der Hafenstadt zerstört und bombardiert.
«Vielen Dank für den Sieg», sagt eine zu Tränen gerührte Frau. «Wir haben ein kleines Stück Paradies bekommen.» Ein Mann lädt den russischen Präsidenten ein, sich die Wohnung anzuschauen. «Wenn es keine Umstände bereitet», sagt Putin daraufhin und folgt den Anwohnern.
Putin im 12'000 Franken Parka
Gemeinsam gehen sie in die Dreizimmerwohnung. Gezeigt werden nur die Küche und der Flur. Die Kameraleute zwängen sich unbeholfen hinter dem Präsidenten in die kleine Wohnung. Während Putin die einfache Küche betrachtet, trägt er seinen Loro-Piana-Parka im Wert von 12'000 Franken. Vier Metallstühle stehen um einen gedeckten Tisch. Die Wände sind kahl. «Als wir hier eingezogen sind, gab es nichts hier drin», erklärt der Bewohner. Ganz anders als jetzt.
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Putin scheint es plötzlich unangenehm, so in die Privatsphäre des Anwohners einzudringen. Er entschuldigt sich und verlässt das «kleine Stück Paradies» eifrig wieder. So ganz ein Mann des Volkes will er dann offenbar doch nicht sein.