Es ist eine Geschichten wie aus einem Agentenfilm: Im August wird der russische Regierungskritiker und Oppostionsführer Alexej Nawalny (44) mit einem chemischen Nervenkampfstoff namens Nowitschock vergiftet – er überlebt nur knapp. Wie der «Spiegel» schreibt, sollen acht Mitarbeiter des russischen Inlandgeheimdienstes FSB hinter dem Anschlag stecken. Die Namen und Bilder der Mitglieder des mutmasslichen Killerkommandos wurden nun veröffentlicht.
Das Nachrichtenmagazin stützt sich dabei nach eigenen Angaben auf gemeinsame Recherchen mit der Investigativplattform «Bellingcat», «The Insider» und dem US-Nachrichtensender «CNN». Und: Auch Alexej Nawalny selbst verbreitete die Berichte und sagt: «Ich weiss, wer mich töten wollte.»
Militärische Wissenschaftler und Experten für chemische Kampfstoffe
Laut «Spiegel» sollen diese acht Männer zum russischen Killerkommando gehören:
- Oleg Tajakin (40): Der Arzt arbeitet am Institut für Kriminalistik des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB – er koordinierte das Tötungskommando.
- Alexej Alexandrow (39): Der Notarzt mit Decknamen «Alexej Frolow» ist seit 2013 beim Geheimdienst. Er soll der wichtigste Agent im Team sein.
- Iwan Ossipow (44): Seit 2012 soll der Arzt beim Geheimdienst FSB sein – Deckname «Iwan Spiridonow».
- Wladimir Panjajew (40): Der Sanitäter soll eine Zeit lang an der gleichen Adresse wie Nawalny gewohnt haben.
- Michail Schwez (43): Er trägt den Decknamen «Michail Stepanow» – seine Meldeadresse ist die des Zentrums für Spezialoperationen des FSB.
- Alexej Kriwoschekow (41): Bevor er zum Geheimdienst kam, arbeitete er im Verteidigungsministerium.
- Konstantin Kudrjawzew (41): Er wird «Konstantin Sokolow» genannt und arbeitete zuvor in einem Militärlabor für chemische Kampfstoffe.
- Stanislaw Makschakow (Alter unbekannt): Er ist militärischer Wissenschaftler, Mitarbeiter des Zentrums für Spezialtechniken des FSB und arbeitete früher im Staatlichen Institut für organische Synthese, das neue Formen chemischer Waffen entwickelte – inklusive Nowitschok.
Seit 2017 im Visier der Killer
Die mutmasslichen Agenten seien nach Auswertung von Mobilfunk-Verbindungen, GPS- und Standortdaten von mehr als einem Dutzend FSB-Agenten sowie Analysen zahlreicher Passagierlisten russischer Linienflüge identifiziert worden, schrieb der «Spiegel» weiter. Dadurch lasse sich auch nachvollziehen, dass Nawalny bereits seit 2017 im Visier dieser Männer gestanden haben soll – immer wieder seien sie zu dessen Terminen gereist.
Seit dem Giftanschlag hält sich Nawalny in Deutschland zu einer Reha-Massnahme auf. Er will nach seiner Genesung aber wieder nach Russland zurückkehren.
Russland streitet alles ab
Russland wies mehrfach eine Verwicklung in den Fall zurück und betonte, dass alle staatlichen Nowitschok-Bestände vernichtet worden seien – das Rezept zudem auch längst im Westen bekannt sei. Der Fall hat die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau stark belastet.
Kremlchef Wladimir Putin (68) hatte erst am Donnerstag gesagt, er sehe noch keine Voraussetzungen für Ermittlungen in Russland. Moskau wolle erst ermitteln, wenn es Beweise für ein Verbrechen gebe. Bislang seien sie aber nicht aus dem Ausland vorgelegt worden, meinte Putin. «Auch wenn eine Person fast gestorben ist, heisst das nicht, dass man in jeden Fall ein Strafverfahren eröffnen muss.»
Auf offener Strasse erschossen
Kreml-Kritiker leben gefährlich: Im August wurde auch der Aktivist und Journalist Jegor Schukow (22) in Moskau angegriffen und schwer verletzt. Der Blogger musste wegen Platzwunden im Gesicht und wegen Verdachts auf ein Schädel-Hirn-Trauma in ein Spital gebracht werden. Schukow interviewte unter anderem auch Oppositionsführer Alexej Nawalny.
Im Februar 2015 wurde der 55-jährige Kreml-Kritiker Boris Nemzow in Moskau sogar auf offener Strasse erschossen. Den Ermittlern zufolge wurde aus einem Auto heraus auf ihn gefeuert. (bra)