Saporischschja am Dnepr ist die sechstgrösste Stadt der Ukraine – und in der Hand der russischen Besatzer. Unweit im Westen der Stadt, in der einst 760'000 Menschen wohnten, verläuft die Frontlinie. Und in Saporischschja steht das gleichnamige Kernkraftwerk, das die Russen schon am zehnten Tag der Invasion einnahmen. Mehr noch: Saporischschja ist das grösste AKW Europas. Seit dem Wegfall von Tschernobyl versorgt es praktisch den gesamten Süden der Ukraine mit Strom.
Die andauernde russische Besetzung des ukrainischen Atomkraftwerks wird offenbar zunehmend zum Sicherheitsproblem. Das ukrainische Management und die lokalen AKW-Mitarbeiter seien extremem Stress und schwierigen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, warnt jetzt die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA): «Jeden Tag, an dem das so weitergeht, steigt das Risiko für einen Unfall oder eine Verletzung der Sicherheit», sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi (61) am Dienstag.
Russen können AKW nicht selbst betreiben
Die von Russland eingesetzte Verwaltung hat sich dabei offen für den Besuch von IAEA-Vertretern im AKW gezeigt, das auf besetztem Gebiet liegt. «Wir sind absolut bereit, IAEA-Experten auf das Objekt zu lassen», sagte der Chef der Besatzungsverwaltung, Jewgeni Balizki, der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass.
Ein Brand in einem Trainingsgebäude des grössten Atomkraftwerks Europas während eines russischen Angriffs Anfang März hatte international grosse Besorgnis ausgelöst. Balizki betonte, dass die Besatzungsbehörden die Anlage nach IAEA-Vorgaben nicht komplett unter ihre Kontrolle stellen könnten, sondern gemeinsam mit der Ukraine betreiben müssten. (kes)