Russen rätseln, was Putin plant
Russische Staatsduma tritt überraschend zu Sondersitzung zusammen

Am 15. Juli findet eine ausserordentliche Sitzung der Duma statt. Das ist ein seltenes Ereignis. In Moskau brodelt die Gerüchteküche, was Präsident Putin plant. Der steht unter wachsendem Druck. Eine Eskalation der Ukraine-Krise wird nicht ausgeschlossen.
Publiziert: 12.07.2022 um 03:56 Uhr
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Aktualisiert: 12.07.2022 um 07:44 Uhr
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Wladimir Putin unlängst bei der Parade zum Tag des Sieges.
Foto: KEYSTONE

Eine ausserordentliche Sitzung der russischen Staatsduma ist ein seltenes Ereignis. Selbst im Pandemie-Jahr 2020 verbrachte das Unterhaus den ganzen Sommer über in den Ferien. Am Montag ist überraschend eine Duma-Sondersitzung auf den 15. Juli einberufen worden, wie Reuters bestätigt. Dies wenige Tage nach der Beteuerung von Präsident Wladimir Putin (69), dass die militärische Spezialoperation in der Ukraine noch gar nicht richtig begonnen habe.

Selbst russische Medien rätseln über den Grund der ungewöhnlich kurzfristig anberaumten Sondersitzung. Manche erwarten eine Generalmobilmachung, andere eine Umbildung der Regierung. Auch von einer offiziellen Kriegserklärung ist die Rede. Einig sind sich alle: Putin werde versuchen, seine Macht zu festigen.

Obwohl die russischen Streitkräfte Gewinne in der Ukraine verzeichnen, der Vormarsch muss teuer erkauft werden. In Russland wollen Gerüchte über Spannungen innerhalb der Regierung nicht abreissen. Und jetzt kommts überraschend zur Duma-Sondersitzung am Freitag.

«Konfrontationen innerhalb der Eliten»

Der Kreml-nahe Telegramkanal «General SVR» will von «Konfrontationen innerhalb der Eliten» wissen. Dabei werde in der russischen Führung um die Grundsatzfrage gerungen, «was als Sieg und Endziel einer speziellen Militäroperation angesehen werden kann».

Es sei ein Ringen zwischen Gemässigteren und Hardlinern. Putin kenne ihre Positionen und habe vorsichtig abzuwägen. Hardliner würden eine «scharfe Eskalation» anstreben, mit der Einnahme von Charkiw, Luhansk, Donezk, dem gesamten Saporischschja sowie Mykolajiw, Odessa und sogar der Republik Moldau.

Laut Nikolai Patruschew (71), dem mächtigen Sekretär des Sicherheitsrates der Russischen Föderation, könne dieser Vormarsch noch vor Wintereinbruch erreicht werden.

Putin unter Druck

Putin selber hat noch mit keinem Wort angedeutet, was er als den «Endsieg» erachtet. Jetzt bereitet die Ukraine eine Ein-Million-Mann starke Offensive vor. Führe die Ukraine an mindestens zwei Fronten einen erfolgreichen Gegenangriff aus, werde sich die «Unzufriedenheit der Eliten verstärken», analysiert «General SVR». Die jetzt vom Westen an die Ukraine gelieferten hochpräzisen Himars-Raketenwerfer und die deutschen Panzerhaubitzen 2000 erweisen sich bereits als Gamechanger an der Front.

Putin werde gar «nicht in der Lage sein, diesen Krieg zum Sieg zu führen», heisst es in der Analyse weiter. «Weil er selber nicht weiss, welche Art von ‹Sieg› er erreichen kann. Und das ist das Hauptproblem. Putin versucht, die Grenzen dessen zu ‹finden›, was er tun kann, ohne die Eliten zu verärgern, zu enttäuschen oder gegen sich aufzuhetzen.» Dabei führe «Putin das Land selbstbewusst in ein Fiasko».

Russische Medien erwarten, dass Putin die Duma-Sondersitzung nutze, um seine Position zu festigen. Von der Duma-Sondersitzung, schreibt die «Komsomolskaja Prawda», würden «grosse Entscheidungen» erwartet. (kes)

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