Die Ukraine bläst zur Rückeroberung der von russischen Truppen besetzten Gebiete. Dazu soll eine gigantische Armee von einer Million Soldaten zusammengestellt werden. Bisher war man davon ausgegangen, dass die ukrainische Armee rund 250’000 aktive Soldaten zählt.
Zum Vergleich: Russland verfügt über eine Million aktive Soldaten und zwei Millionen Reservisten.
Präsident Wolodimir Selenski (44) habe das Militär angewiesen, die Russen von den besetzten Küstengebieten im Süden des Landes mit Hilfe neuer Kräfte und westlicher Waffen zu vertreiben. Dies sagte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow (56).
So kommt die Ukraine auf eine Million Soldaten
Tausende Zivilisten in den Gebieten Cherson und Saporischschja wurden wegen der geplanten ukrainischen Offensive zur Flucht aufgerufen. Das sei nötig, damit sie nicht gefährdet würden.
In einem Interview mit der britischen Zeitung «The Sunday Times» drängte Resnikow auf die Lieferung weiterer Waffen. «An jedem Tag, an dem wir auf Haubitzen warten, könnten wir einhundert Soldaten verlieren.» Der Westen würde vor allem deshalb Waffen liefern, weil die Ukraine bewiesen habe, dass sie kämpfen kann.
Resnikow erklärte auch, wie die Ukraine eine Million Soldaten aufstellen wolle. «Nach acht Jahren des hybriden Krieges haben wir inzwischen mehr als 400’000 Veteranen und deren Verwandte in verschiedenen Teilen der Welt.» Arbeiter von Polen bis Portugal hätten sich entschieden, in die Ukraine zurückzukehren, um ihre Heimat zu verteidigen.
Die bewaffneten Streitkräfte umfassten nun «schätzungsweise» 700’000 Soldaten, sagte der Minister. Rechne man die Nationalgarde, die Polizei und die Grenzpolizei dazu, käme man auf eine Armeegrösse von einer Million.
Wohl eher Propaganda
Ob die Ukraine tatsächlich eine Million Soldaten zusammenstellen könne, sei schwierig einzuschätzen, sagt Militärexperte Mauro Mantovani (58) zu Blick. Er ist zumindest skeptisch. «Ich tendiere eher dazu, es für Propaganda der ukrainischen Regierung zu halten.»
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Tatsache sei aber, dass die Ukrainer ein «viel grösseres Rekrutierungspotenzial» hätten als die Russen – auch wegen des verbreiteten Wehrwillens der Bevölkerung. Gerade im Kampf in überbautem Gebiet sei das ein grosser Vorteil.
Taktischer Rückzug, «um Leben zu retten»
In den vergangenen Tagen haben die russischen Truppen im Osten des Landes Boden gewonnen. Bei einer Attacke auf die Stadt Slowjansk töteten sie nach eigenen Angaben bis zu hundert gegnerische Soldaten. Zudem seien mehr als tausend Granaten für US-Haubitzen vom Typ M-777 zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
Nach Einschätzung des US-amerikanischen Institute for the Study of the War (ISW) beabsichtigt der Kreml möglicherweise, die Region Charkiw zu annektieren.
Dass sich die ukrainischen Streitkräfte aus Sjewjerodonezk und Lyssytschansk zurückgezogen hat, will Resnikow nicht als strategischen Sieg Russlands werten. Es sei vielmehr ein taktischer Rückzug gewesen, «um Leben zu retten», sagte Resnikow.
Die demokratische Welt sei geeint in dem Willen, Russland zu besiegen. Und der Verteidigungsminister geht sogar noch weiter: Der Krieg in der Ukraine werde das Ende des russischen Reichs besiegeln.