Das Regionalgericht habe den einstigen Chefredakteur des oppositionellen Mediums Nexta «zu acht Jahren in einem Straflager verurteilt», berichtete die belarussische Nachrichtenagentur Belta am Mittwoch. Die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja erklärte, Minsk zeige mit der Verurteilung «am Tag der Pressefreiheit erneut seine Missachtung gegenüber Gerechtigkeit».
Wer ist Roman Protassewitsch?
Dem seit Juni 2021 unter Hausarrest stehenden Journalisten wurde vorgeworfen, bei der Koordinierung der Massenproteste gegen die umstrittene Wiederwahl von Staatschef Alexander Lukaschenko im Sommer 2020 geholfen zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Haft gegen ihn gefordert.
Die ebenfalls angeklagten, im Exil lebenden Nexta-Verantwortlichen Stepan Putilo und Jan Rudik wurden in Abwesenheit zu 20 und 19 Jahren Haft verurteilt. Die Anklagepunkte umfassten unter anderem Aufrufe zu Massenunruhen und zur «Machtergreifung» sowie Diffamierung des Präsidenten, Organisation von Terroranschlägen und Verbreitung von Falschinformationen über Belarus.
Protassewitsch sei seit der gewaltsam erzwungenen Landung seiner Ryanair-Maschine eine «Geisel des Regimes», schrieb die im Exil lebende belarussische Oppositionsführerin Tichanowskaja nach der Urteilsverkündung im Kurzbotschaftendienst Twitter. Minsk zeige mit der «Verurteilung von drei Journalisten in einem Schauprozess am Tag der Pressefreiheit erneut seine Missachtung gegenüber Gerechtigkeit».
Protassewitsch war am 23. Mai 2021 gemeinsam mit seiner Freundin Sofia Sapega festgenommen worden. Beide waren an Bord einer Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius, als ein belarussischer Kampfjet das Flugzeug unter dem Vorwand einer angeblichen Bombendrohung zur Landung in Minsk zwang. Die Militäraktion zum Stopp des Fluges und die anschliessende Festnahme des Paares hatten international Empörung ausgelöst.
Protassewitsch hat mit der Justiz des Landes kooperiert
Nach seiner Festnahme hatte Protassewitsch zugesagt, mit der Justiz des Landes zu kooperieren. In vom belarussischen Staatsfernsehen verbreiteten Aufnahmen sagte er mehrfach, er bereue sein Handeln - nach Angaben der belarussischen Opposition wurden diese Aussagen jedoch erzwungen.
Das Oppositionsmedium Nexta spielte während der Demonstrationen gegen Lukaschenko im Sommer 2020 wegen des Vorwurfs der Wahlfälschung eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung der Proteste. Die Staatsführung liess das Medium verbieten, der Oberste Gerichtshof stufte Nexta als «terroristische Organisation» ein.
Die Behörden in Belarus gehen nach der brutalen Unterdrückung der damaligen Proteste auch weiter unerbittlich gegen kritische Stimmen vor. Nach Angaben der belarussischen Menschenrechtsorganisation Wjasna gibt es in Belarus derzeit 1500 politische Gefangene. Die ehemalige Sowjetrepublik ist nicht zuletzt wegen ihrer Unterstützung von Russlands Militäroffensive in der Ukraine international zunehmend isoliert. (afp/bur/kas/cp)