Eigentlich befürchteten viele seit der Invasion des Kreml-Machthabers Wladimir Putin (70), dass Russland und Belarus gemeinsame Sache machen. Alexander Lukaschenko (68), der Diktator von Belarus, pflegt nämlich enge militärische Beziehungen zu Russland.
So sind vor einem Jahr zu Beginn von Putins Invasion russische Truppen über belarussisches Territorium in die Ukraine entsandt worden. Und: Regelmässig abgehaltene Militär-Übungen der beiden Länder liessen stets Spekulationen laut werden, ob Belarus als mögliche neue Kriegspartei fungieren könnte. Einem geheimen Kreml-Papier zufolge soll Putin nun eine russische Übernahme von Belarus planen.
17 Seiten langes Dokument
Die schrittweise Übernahme des Nachbarlandes soll bis zum Jahr 2030 erfolgen. Das legt das Dokument aus der Moskauer Präsidialverwaltung nahe, über das die «Süddeutsche Zeitung» berichtet. Das Papier wurde gemeinsam mit dem WDR, dem NDR und neun weiteren Medien ausgewertet.
Offenbar wollen Putins Strategen Belarus politisch, wirtschaftlich und militärisch unterwandern. Ziel soll ein gemeinsamer Unionsstaat unter russischer Führung sein, wie die Zeitung unter Berufung auf das Dokument berichtet.
Das interne, 17-seitige Kreml-Dokument mit dem Titel «Strategische Ziele der russischen Föderation in Belarus» stammt offenbar vom Sommer 2021. Darin werden die strategischen Ziele Russlands in Belarus in den Bereichen Politik/Verteidigung, Handel und Ökonomie sowie Gesellschaft aufgelistet und in kurzfristig (bis 2022), mittelfristig (bis 2025) und langfristig (2030) unterteilt.
Putin will grossrussisches Reich schaffen
Eines der Ziele ist dem Papier zufolge unter anderem «die Sicherstellung des vorherrschenden Einflusses der Russischen Föderation in den Bereichen Gesellschaftspolitik, Handel, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung und Kultur».
Die im Februar vergangenen Jahres in Belarus beschlossene Verfassungsreform soll nach russischen Bedingungen vollendet und Gesetze mit der russischen Föderation «harmonisiert» werden, heisst es weiter. Gleichzeitig wolle der Kreml den westlichen Einfluss zurückdrängen und ein Bollwerk gegen die Nato schaffen.
Fachleute halten das Kreml-Papier für authentisch. «In seiner äusseren Form ähnelt das Dokument einem Standarddokument der russischen Bürokratie oder politischen Verwaltung», sagt Martin Kragh, stellvertretender Direktor des Stockholm Centre for Eastern European Studies (SCEEUS). Der Inhalt stimme «weitgehend mit den politischen Zielen Russlands gegenüber Belarus seit den 1990er-Jahren überein».
Auch mehrere westliche Geheimdienste, denen das Papier gezeigt wurde, halten es laut der «Süddeutschen Zeitung» für glaubwürdig. «Der Inhalt des Dokuments ist absolut plausibel und entspricht dem, was wir auch wahrnehmen», sagt ein hochrangiger Nachrichtendienstler der Zeitung. Das Strategiepapier sei als Teil eines grösseren Plans von Putin zu sehen: der Schaffung eines neuen grossrussischen Reichs. (dzc/SDA)