Belarus und Russland werden nach Angaben des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko (68) vom Montag gemeinsame Truppen aufstellen. In welchem Ausmass die militärische Unterstützung stattfinden wird, ist noch unklar. Für Experten bedeutet ein gemeinsamer Truppenverband aber nicht notwendigerweise einen Kriegseinsatz. Wohl eher gehe es in erster Linie darum, den Druck auf die Ukraine zu erhöhen.
Seit Kriegsbeginn im Februar ist ein belarussischer Kriegseintritt immer wieder Gegenstand von Spekulationen. Am Montag gab der belarussische Staatschef bekannt, er habe die Aufstellung der Truppen befohlen.
Bloss: Für Wladimir Putins (70) Vasallen Lukaschenko wäre ein solcher aber auch ein riskanter Schritt. Bisher dient das Territorium von Belarus in erster Linie als Aufmarschgebiet für die russischen Streitkräfte. So können sie sich von dort etwa einfacher der ukrainischen Hauptstadt Kiew nähern.
Kleinere Armee als die Ukraine
Doch was könnte die belarussische Armee im Kriegsfall wirklich bewirken, würde sie als mögliche dritte Kriegspartei Russland zur Seite eilen?
Verglichen mit der Grösse der russischen Armee, die rund 900’000 aktive Soldaten aufbieten kann, dienen in Belarus – je nach Quelle – nur etwa zwischen 45’000 und 65’000 Soldaten. Das ist noch einmal deutlich weniger, als die Ukraine aufbieten kann. Dort dienen rund 197’000 Personen. 290'000 Reservisten stünden in Belarus noch bereit – 40'000 mehr als in der Ukraine.
2018 hat das Militär in Belarus neue Tor-Kurzstrecken-Flugabwehrraketen gekauft. Doch diese dürften im Krieg gegen die Ukraine kaum eine entscheidende Rolle spielen. Denn die Chance, dass die Ukraine mit ihren verbleibenden Kampfjets Einsätze gegen Belarus fliegt, ist verschwindend klein.
Altes Material
Und doch könnte die belarussische Luftwaffe die russischen Streitkräfte unterstützen. Belarus besitzt unter anderem Kampfjets vom Typ MiG-29 und Suchoi Su-25. Ergänzend dazu verfügt sie über eine Lufttransportflotte, die mitunter auch logistisch aushelfen kann.
Die belarussische Armee ist auf russische Militärtechnik ausgelegt. Heisst: Es wurden nicht in erster Linie eigene Waffensysteme entwickelt, vielmehr wurden die meisten Waffen im Arsenal von Lukaschenkos Armee in Russland hergestellt. So ist etwa auch der wichtigste Kampfpanzer von Belarus, der T-72B, ein erstmals noch zu Sowjetzeiten hergestelltes Kriegsgerät. Belarus soll davon – bei aller Unsicherheit über verifizierbare Informationen – noch etwa 500 Stück davon besitzen.
Auch wenn vieles darauf hindeutet, dass ein Grossteil der belarussischen Ausrüstung veraltet oder zumindest nicht mehr sehr modern sein dürfte, ein Vorteil hätte Lukaschenkos Armee im Falle einer Unterstützung der Russen: Material und Systeme sind mit den russischen kompatibel. Damit könnten belarussische Truppen technisch und organisatorisch einfach in den Krieg gegen die Ukraine eingebunden werden.
Belarus könnte Russland nur bedingt helfen
Ob es wirklich dazu kommt, bleibt fraglich. Die bescheidenen wirtschaftlichen Mittel erlauben es dem Land nicht wirklich, schnell aufzurüsten. Kommt hinzu: Sollte die belarussische Armee tatsächlich in den Krieg gegen die Ukraine eintreten, dürfte das den Russen nur bedingt helfen. Denn Experten schätzen die militärische Schlagkraft von Lukaschenkos Truppen als gering ein.
Politikwissenschaftler Michael Staack (63) etwa sagt zu Blick: «Die belarussische Armee ist begrenzt kampffähig, für Offensivoperationen ist sie nicht einsetzbar. Sie wird Russland nicht entscheidend helfen können. Sie kann höchstens eine neue Front eröffnen für die Ukraine.» Zudem wolle die belarussische Bevölkerung nicht in den Krieg involviert werden. Und nicht zuletzt würde ein Kriegseintritt von Belarus bedeuten, dass sich die Fronten weiter in Richtung Nato-Aussengrenze verschieben. (oco)