Sie wollten zu den wenigen Menschen gehören, die das Titanic-Wrack einmal aus nächster Nähe betrachten können. Nach langer Hoffnung auf eine Rettung der fünf U-Boot-Insassen steht fest: Alle sind tot. Das Tauchboot hat dem immensen Wasserdruck nachgegeben und ist implodiert. Spätestens seit der traurigen Gewissheit fragen sich viele: Wie sehr musste die Besatzung leiden? Eine Recherche der «New York Times» («NYT») offenbart jetzt weitere Details zur Tragödie.
«Sie hatten riesige Freude zu tauchen», sagte Christine Dawood, die Ehefrau des britisch-pakistanischen Doppelbürgers Shazada Dawood (†48), zur «NYT». Dawood wollte gemeinsam mit seinem Sohn Suleman (†19) zur Titanic reisen. Die Stimmung sei ausgelassen gewesen. Abends hätte Ocean-Gate-CEO Stockton Rush (†61) jeweils Vorträge gehalten. Gegenüber der US-Zeitung enthüllte seine Witwe, dass ihr Mann und Sohn die letzten Momente vor der Implosion damit verbrachten, in völliger Dunkelheit ihre gemeinsame Lieblingsmusik zu hören. Rush hätte die Anweisung erteilt, dicke Socken und eine Wollmütze zu tragen. Gleichzeitig wurde informiert, dass es immer dunkler werden würde. «Man wird nichts sehen, da wir Strom für den epischen Rundgang über den Meeresboden sparen müssen», soll Rush gesagt haben.
Mehr zur U-Boot-Tragödie
Während immer mehr Details zu den finalen Momenten der Passagiere ans Licht kommen, wirbt der U-Boot-Hersteller Ocean Gate auf seiner Website immer noch für die Expeditionen 2024 – mit dem verstorbenen Titan-Insassen Paul-Henri Nargeolet (†77) als potenziellem Experten. Dort heisst es: «Nargeolet ist ein renommierter Titanic-Experte, der sechs Expeditionen zum Wrack der Titanic geleitet und bei zahlreichen Titanic-Ausstellungen in aller Welt Vorträge gehalten hat.» Auf der Seite des Unternehmens wird explizit erwähnt, dass der Expeditions-Preis (von bis zu 250'000 Dollar) keine persönliche Versicherung umfasst.
Ocean-Gate-CEO flog für U-Boot-Werbung um die Welt
In der Vergangenheit war Ocean-Gate-Chef Stockton Rush offenbar kein Aufwand zu schade, um Passagiere für seine Expeditionen zu rekrutieren. So soll er gemeinsam mit seiner Frau Wendy zu den Dawoods nach London geflogen sein, um sie vom Ausflug zu überzeugen. Rush habe ihnen viele Details über U-Boote erklärt. «Wir wussten ja nicht, wie diese Maschinen funktionieren. Man sitzt ja auch in Flugzeugen, ohne dass man über die Einzelheiten Bescheid weiss», sagte die Britin zur «NYT».
Rush war es offenbar ein Anliegen, seine neuen Kunden persönlich zu treffen. Teilweise gab es auch Last-Minute-Angebote zu einem reduzierten Preis von 150'000 Dollar pro Person. Ocean Gate hat bis anhin diverse Interview-Anfragen abgelehnt.
In Kreisen von Unterwasserexperten wurde das zylindrische Design kritisiert. Das relativ grosse Bullauge und die Verwendung von gemischten Materialien würden dem immensen Wasserdruck nicht zwingend standhalten und könnten zu katastrophalen Folgen führen. (ene)