Rekord-Infektionen, bis zu 1000 neue Tote bis Ende Jahr – aber Tegnell wundert sich
«Ich verstehe es auch nicht»

Schwedens Staatsepidemiologe sah das Land schon auf dem Weg zur Herdenimmunität. Nun ist die zweite Corona-Welle offenbar da – und Anders Tegnell ratlos.
Publiziert: 12.10.2020 um 11:06 Uhr
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Aktualisiert: 26.04.2021 um 15:11 Uhr
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Auch Anders Tegnell versteht nicht, warum die Infektionszahlen wieder steigen.
Foto: DUKAS
Fabienne Kinzelmann

Auch Schweden ist im Griff der zweiten Welle. Nachdem die Corona-Infektionszahlen im Juli und August leicht sanken, steigen sie wieder rasant an. In den letzten sieben Tagen kamen im Schnitt täglich 568 Neuinfektionen dazu.

Bis Ende des Jahres könnten die Skandinavier bis zu 1000 neue Corona-Tote verkraften müssen – vor dem Szenario warnt einer der führenden Modellrechner des Landes, falls die Schweden die ohnehin laxen Massnahmen weiter lockerten.

Besonders breitet sich das Virus aktuell in Stockholm aus. Dabei hatte das Virus hier bereits kräftig gewütet, knapp die Hälfte aller Corona-Toten im Land gab es in der schwedischen Hauptstadt.

«Hätte sich in Göteborg ausbreiten sollen»

Anders Tegnell (64), Architekt des schwedischen Sonderwegs, war davon überzeugt, dass das Land praktisch auf dem Weg zur Herdenimmunität sei. Immer wieder hatte der schwedische Staatsepidemiologe seinen Anti-Lockdown-Kurs verteidigt – und damit gerechnet, dass eine zweite Welle in den schwer betroffenen Gebieten viel milder ausfallen würde.

Umso überraschter ist Tegnell jetzt. «Es ist ein bisschen schwer zu verstehen, muss ich zugeben», sagte Anders Tegnell der Tageszeitung «Göteborgs-Posten». Er verstehe auch nicht, warum sich das Virus ausgerechnet in Stockholm so ausbreite – statt in anderen Regionen, die bislang weniger betroffen gewesen seien. «Die Ausbreitung müsste eigentlich eher in Göteborg passieren, das im Frühjahr und Sommer relativ verschont bliebt.»

Schwedens Staatsepidemiologe stellt aber auch fest, dass selbst die am stärksten betroffenen Gebiete in Frankreich, Italien und Spanien von einer zweiten Welle schwer getroffen wurden.

Behörden denken über lokale Lockdowns nach

«Wir sind äusserst beunruhigt und sehen mit grosser Sorge auf das Infektionsgeschehen in Stockholm», sagte Björn Erikson, der Gesundheitsdirektor der Region, vor einigen Tagen. Die steigenden Infektionszahlen deuteten darauf hin, dass zu viele den Empfehlungen der Behörden nicht mehr folgten. «Man hat angefangen, zu locker zu werden.»

Die hohen Infektionszahlen zwingen die Behörden offenbar zum Umdenken. Mittlerweile werden gar lokale Lockdowns erwogen.

Mit insgesamt 5894 Corona-Toten gehört Schweden zu den von der Pandemie am meisten betroffenen Ländern in Europa. Mehr Tote auf die Einwohnerzahl gesehen haben nur Spanien, Grossbritannien und Italien.

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