Ramsan Achmatowitsch Kadyrow (46) ist seit 2007 das «Oberhaupt» – Präsident oder Diktator, je nach Ansicht – der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Bekanntgeworden ist er im letzten halben Jahr allerdings unter einer anderen Bezeichnung: Putins «Bluthund». Seit diesem Mittwoch ist er nun Generaloberst in der russischen Armee, von Kremlchef Wladimir Putin (69) höchstpersönlich befördert.
Kadyrow sei Putin «unglaublich dankbar» für die «grosse Wertschätzung», die ihm der russische Präsident entgegenbringe, wie er auf Telegram mitteilt. Überraschend kommen diese wohlwollenden Bemerkungen im Angesicht dessen, dass Kadyrow die Kriegsführung von Jetzt-Amtskollege Alexander Lapin (58) in Lyman und somit auch Putin kritisierte. Was motivierte den russischen Machthaber also, Kadyrow diese Position zu überlassen?
Ulrich Schmid (56), Russland-Professor an der Universität St. Gallen, sieht hinter dieser Entwicklung vor allem eins: die Schwäche Putins – und die Angst davor, was passieren könnte, wenn er es sich mit Kadyrow verspasst.
Kadyrow könnte sich bei Missfallen gegen Putin wenden
Denn: Es drohen potenzielle Unruhen in der autonomen Republik Tschetschenien. «Putin und Kadyrow haben einen Pakt: Dem tschetschenischen Machthaber wird freie Hand gelassen in Tschetschenien, dafür sorgt Kadyrow dafür, dass in seinem Gebiet keine Separatistenbewegung entsteht.»
So weit, so gut – doch wenn Putins Entscheidungen Kadyrow missfallen, könnte er schnell «in irgendeine Richtung» abdriften. Und diese Angst – dass Kadyrow sich von Putin entfernt – wurde gerade wieder grösser. Denn er machte Lapin für die Niederlage in Lyman verantwortlich. «Lapins mangelndes Talent ist nicht das Schlimmste, sondern die Tatsache, dass die Spitzenleute des Generalstabs ihn decken», schrieb Kadyrow. «Wenn es nach mir ginge, würde ich Lapin zum Gefreiten degradieren, ihm seine Medaillen abnehmen und ihn mit einem Gewehr an die Front schicken, um seine Schande mit seinem Blut abzuwaschen.»
Daher kommt die Beförderung in einem guten Moment, um den Tschetschenen bei der Stange zu halten. Als Generaloberst hat Kadyrow nicht nur einen höheren Status, sondern auch mehr Macht. Der Posten ist der dritthöchste Rang im russischen Militär.
«Beförderung ist ein prekärer Deal»
Doch nicht nur deswegen muss Putin seinen «Bluthund» umgarnen. Der russische Präsident braucht den unberechenbaren Kadyrow, um in der Ukraine erfolgreich zu sein, so Experte Schmid. Putin erhofft sich, dass durch die Beförderung Kadyrows weitere tschetschenische Reservisten in den Krieg eingezogen und somit die russische Front gestärkt wird. Denn eigentlich wollte Kadyrow keine weiteren Soldaten mehr in die Ukraine schicken.
Die Beförderung zum Generaloberst also als Friedensangebot an den tschetschenischen Politiker? Das sei zu positiv ausgedrückt, so Schmid. «Es ist ein prekärer Deal», sagt der Experte. Denn Kadyrow sei auch für Putin eine «loose cannon» – man weiss nie, wozu er noch fähig ist.