Drei ukrainische Flugplatz-Attacken in zwei Tagen. Zwei der getroffenen Ziele liegen rund tausend Kilometer von der ukrainisch-russischen Front entfernt. Putins Luftverteidigung versagte. Dabei besitzt Russland nach Einschätzung von Militärexperten verhältnismässig moderne Boden-Luft-Raketensysteme, wie der «Spiegel» schreibt. Trotzdem wurde es bereits mehrfach überlistet. Wie ist das möglich? Zurzeit gibt es keine handfesten Beweise – jedoch ein paar Theorien.
Der russische Militärexperte Juri Knutow äusserte in einer Polit-Talkshow folgende Gedanken: «Es ist möglich, dass die russischen Streitkräfte viele Flugabwehrsysteme an die Front oder zumindest in deren Nähe verlegt haben.» Ein weiterer Faktor sei die Knappheit der Präzisionsmunition. Aus der Not heraus müssten S-300-Raketen auch für Bodenziele verwendet worden sein. «So dürfte eine Lücke in der russischen Flugabwehr entstanden sein.»
Welche Rolle spielt die USA?
Die Schwachstellen in Russlands Luftverteidigung haben gemäss Knutow die Amerikaner entdeckt. US-Aufklärungssatelliten seien dafür verantwortlich. «Das US-Militär hat dann die Daten wohl an die Ukrainer weitergeben.» Somit konnten die Drohnen-Routen optimal geplant werden. US-Aussenminister Antony Blinken (60) hat eine Mithilfe an diesem Anschlag offiziell verneint. Kiew schweigt zu den Angriffen auf die Flugplätze.
Der australische Ex-General und Kriegsbeobachter Mick Ryan sagt: «Es ist eine Kombination aus Kenntnis der Lücken im russischen Flugabwehrnetz, frei zugänglichem Material und Beobachtungen vor Ort.» Auswertungen des Institute for the Study of War (ISW) machen auf kritische Bemerkungen von russischen Militärbloggern beim Messengerdienst Telegram aufmerksam. Es werde vermutet, dass ukrainische Spezialkräfte oder Saboteure hinter dem Angriff stecken. Doch wie ist das russische Flugabwehrsystem überhaupt aufgebaut?
Tempo-Rätsel um russische Abwehr-Raketen
Ein Netz aus Radargeräten soll sicherstellen, dass jedes Flugobjekt im russischen Raum erkannt wird. Damit Flugabwehr-Geschütze und Boden-Luft-Raketen wissen, wohin sie schiessen oder -fliegen sollen. Dabei kommen je nach Distanz zum feindlichen Objekt unterschiedliche Waffen zum Einsatz. Es gibt den Kurz-, Mittel- oder Langstreckenbereich.
Im letztgenannten Gebiet kommen S-300-Raketen zum Einsatz. Diese können sich gemäss «Missile Threat», einer Informationsplattform vom CSIS (Zentrum für strategische und internationale Studien), mit bis zu 4300 km/h fortbewegen. Die Tu-141-Drohnen, die laut Experten bei den Flugplatz-Attacken eingesetzt wurden, haben eine Fluggeschwindigkeit von 1110 km/h. Daher hätten die S-300-Raketen in der Lage sein müssen, diese Angriffe abzuwehren.
Wie reagiert Russland?
Bei den Tu-141-Drohnen soll es sich nicht um kleine Flugobjekte gehandelt haben, wie der «Spiegel» schreibt. Angeblich seien es eher menschenleere Kampfjets mit einer Länge von über 14 Metern gewesen, die in Russland Schaden anrichteten. Auf einer russischen Überwachungskamera sei zudem zu hören, wie die Turbinen einen gewaltigen Lärm verursachen. Trotzdem blieben sie unentdeckt. Sie schlugen in militärische Ziele ein, die zusätzlich mit speziellen Abwehrwaffen geschützt werden.
Russische Militärblogger fordern auf Telegram nun, dass Russland Abwehrsysteme aus anderen Regionen des Landes innerhalb der Reichweite der Drohnen platzieren müsse. Damit sollen militärische Ziele besser geschützt werden. (nab)