Seit Wochen schwelen im Kreml Konflikte zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (70) und dem Chef der berüchtigten Wagner-Gruppe, Jewgeni Prigoschin (61). Prigoschin lässt keine Gelegenheit aus, die ausbleibenden Erfolge der russischen Armee zu betonen und stattdessen die Erfolge seiner eigenen Miliz in den Vordergrund zu rücken.
Hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Machtkampf. Nun wird bekannt: Nach den Erfolgen in der umkämpften Stadt Bachmut will Prigoschin den Ausbau seiner Wagner-Gruppe weiter vorantreiben – und ihr auch eine ideologische Denkweise verpassen.
Laut der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) plant Prigoschin, die Wagner-Gruppe als «eine militärische Organisation parallel zur russischen Armee» aufzustellen. Die Gruppe soll dabei «spezifisch für die Interessen der ideologischen Hardliner-Elite» kämpfen, heisst es in dem Bericht. Prigoschin schlägt sich damit – wenn auch wenig überraschend – offiziell auf die Seite der Hardliner-Kriegshetzer, die keinerlei Kompromisse eingehen wollen. Stattdessen setzen sie auf die vollständige Eroberung der Ukraine und den weiteren Ausbau ihrer Macht.
Propaganda-Anlässe für Kinder
Um sein Ziel zu erreichen, plant Prigoschin den Aufbau von Dutzenden weiteren Rekrutierungszentren in Russland. Laut dem Wagner-Chef wurden jüngst in 42 russischen Städten Zentren zur Rekrutierung von Söldnern eröffnet. Diese sind unter anderem in Schulen platziert. Prigoschin will also auch Jugendliche für seine Ideen begeistern und in den Krieg ziehen lassen. In den kommenden Wochen sollen weitere Zentren in mehr Städten folgen, kündigte Prigoschin am Wochenende an.
Laut dem russischen Oppositionsmedium Sota planen die Behörden in verschiedenen Regionen auch Anlässe, um die Jugendlichen für die Ideologie der Wagner-Gruppe zu begeistern. Laut der Ankündigung sollten die Vertreter von Wagner bei dem Treffen insbesondere «Heldengeschichten» aus dem Krieg in der Ukraine erzählen.
Auch Sommerlager auf der besetzten ukrainischen Halbinsel Krim seien geplant. Laut ISW verfolgen diese Anlässe das klare Ziel, «Kinder und Jugendliche für die Ideen der Wagner-Gruppe zu begeistern, ihnen extreme Ideologien einzuflössen und nicht zuletzt auch neues Personal für den Krieg zu rekrutieren.»
Unmut im Kreml
Präsident Putin dürfte diese Rekrutierungsoffensive kaum gefallen. Seine Armee verzeichnet in der Ukraine massive Verluste. Zudem melden sich kaum Freiwillige, um in die Armee einzurücken. Deswegen zwang der Kreml im vergangenen Herbst im Rahmen einer Mobilisierung über 300'000 zusätzliche Männer in den Krieg.
Erst vor wenigen Tagen sorgte der Kreml für Aufruhr. Der staatliche russische Energieversorger Gazprom stellt derzeit eine Freiwilligen-Armee auf die Beine. Laut dem ISW könnte die neue Gazprom-Einheit im besetzten Gebiet Donezk bereits in naher Zukunft um Rekruten werben. Dafür soll Gazprom eigens eine Ermächtigung beim Kreml eingeholt haben – sehr zum Unmut von Prigoschin.
Sollte Gazprom in Donezk eine Mobilisierungskampagne durchführen, käme der staatliche Energiekonzern der Wagner-Gruppe in die Quere. Diese führt eine eigene Rekrutierungskampagne in der Region durch. Die Machtkämpfe im Kreml gehen somit weiter.