Er führt Krieg, sie betreibt Wissenschaft. Putins erstgeborene Tochter Maria Woronzowa (36) ist pädiatrische Endokrinologin und Professorin an der Staatlichen Universität Moskaus, wo sie im Jahr 2022 zur Dekanin ernannt wurde. Sie schreibt regelmässig wissenschaftliche Artikel. Ihre Texte werden unter anderem auch vom Schweizer Verlag MDPI publiziert.
In der Datenbank des Herausgebers MDPI mit Sitz in Basel finden sich seit dem 24. Februar 2023 drei Artikel, in denen Woronzowa als Co-Autorin auftaucht. MDPI ist seit 2020 einer der grössten Open-Access-Verlage weltweit.
Obwohl Woronzowa hierzulande, aber auch in der EU, Kanada, Grossbritannien und den USA sanktioniert wird, bedeutet das nicht, dass auch ihre Publikationen verboten werden. Mitarbeiter beim MDPI stören sich offenbar trotzdem daran, Texte von Putins Tochter zu veröffentlichen. «Das kann den Ruf des Verlags ruinieren», sagt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, wie der russische Telegram-Kanal Mojem Objasnit berichtet.
MDPI prüft Angelegenheit
Auf Anfrage von Blick erklärt sich der Verlag. «MDPI verpflichtet sich streng zur Unparteilichkeit», stellt der Verlag auf Anfrage von Blick klar. Und: «Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, die wissenschaftliche Gültigkeit und Integrität der eingereichten Inhalte durch strenge Peer-Review-Verfahren sicherzustellen.» Die Vision von MDPI sei es, Forschungen für ein breites Publikum zugänglich zu machen.
«Wir führen derzeit interne Untersuchungen durch», erklärt der Verlag die Tatsache, dass Maria Woronzowa als Co-Autorin auftaucht. MDPI habe aber keine direkte Verbindung zu Putins Tochter. Soweit dem Verlag bisher bekannt ist, fliesst kein Geld in Woronzowas Hände, wodurch auch kein Gesetzesverstoss vorliegt.
«Das Geschäftsmodell untergräbt die wissenschaftliche Integrität»
MDPI veröffentlicht Fachartikel am laufenden Band. Die «WOZ» schreibt 2021 darüber: «Vom Einreichen bis zur Onlinepublikation eines Artikels dauerte es im letzten Jahr (Anm. der Redaktion: 2020) gemäss Eigenangaben durchschnittlich 35 Tage.» Ein Tempo, bei dem andere Herausgeber nicht mithalten können.
Das sorgt für Kritik. Der Verdacht, dass das Tempo zulasten der Sorgfalt geht, liegt nahe. «Das Geschäftsmodell von MDPI untergräbt die wissenschaftliche Integrität», prangert Jochen Markard, Forscher an der ETH und ZHAW, an. Er warf dem Unternehmen vor, Geld mit Quantität statt Qualität zu verdienen.
Putins Töchter verdienten im Kriegsjahr mehr denn je
Wie der Telegram-Kanal Moschem Objasnit zuvor herausfand, verdienen Putins Töchter seit dem 24. Februar 2022 mehr Geld, als je zuvor. Woronzowa gehört das Unternehmen Nomeko, das sich vor allem auf nuklearmedizinische Projekte spezialisiert.
Seit Russland die Ukraine angegriffen hat, machte Woronzowas Firma einen Umsatz von 855 Millionen Rubel, also fast 7.8 Millionen Franken. Und: Nomeko kaufte alle Spitäler, die Kriegsverwundete behandelt. Im Kriegsjahr soll Woronzowas Unternehmen 857 Millionen Rubel (fast 8 Millionen Franken) eingenommen haben.