Problem für die Ukraine
Putins Drohnen greifen die Ukraine in Schwärmen an

Russland setzt auf billige Drohnen aus dem Iran, die in Scharen über die Ukraine herfallen. Putins Truppen attackieren damit gezielt Städte und kritische Infrastruktur. Welche Möglichkeiten haben die Ukrainer zur Gegenwehr?
Publiziert: 27.10.2022 um 18:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2022 um 07:45 Uhr
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Shahed-Drohnen fliegen relativ langsam und tief auf ihr Ziel zu. Doch oft kommen sie nicht allein.
Foto: YASUYOSHI CHIBA

Sie fliegen langsam und surrend auf ihr Ziel zu, dann folgt die Explosion: iranische Kamikaze-Drohnen versetzen die ukrainische Bevölkerung in Angst und Schrecken. Weil es an der Front kaum vorangeht, greifen Putins Truppen aus Luft die zivile Infrastruktur an. Das Ziel: Die Ukraine soll in einen kalten, dunklen Winter gestürzt werden.

Viele Drohnen können von Luftabwehrsystemen abgeschossen werden. Doch die fliegenden Killer kommen oft im Schwarm angeflogen. Und so kommen doch genügend durch, um die Ukraine anzugreifen.

Das Problem: Die Russen verfügen offenbar über jede Menge Drohnen. «Sie sind in Produktion und Anschaffung so billig, dass man die ukrainische Verteidigung mit zu vielen Angreifern übersättigt», sagt Gustav Gressel (43), Militärexperte am European Council on Foreign Relations (ECFR), zum «Spiegel».

Im Winter wird die zerstörte Infrastruktur ein grosses Problem sein

Wie der britische Geheimdienst mitteilte, kann die Ukraine mittlerweile fast 85 Prozent der Drohnenangriffe abwehren. Das klingt erstmal nach viel. Doch die restlichen 15 Prozent richten enormen Schaden an. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) räumte bereits ein, dass bereits 40 Prozent der ukrainischen Energie-Infrastruktur durch die Angriffe zerstört sei. Er rief die Bevölkerung dazu auf, Energie zu sparen.

Die Ukraine müsse zusehen, dass sie den Luftraum von bedeutenden Städten mit wichtiger Infrastruktur flächendeckend schütze, so Gressel weiter. Momentan setzen ukrainische Streitkräfte vor allem auf patrouillierende Kampfjets und Boden-Luft-Raketen.

Doch dabei kommen die Kosten aus dem Gleichgewicht. «Jede Stinger, die auf so eine Drohne gefeuert wird, ist fünf bis zehnmal so viel wert wie die Drohne selbst», so der Militärexperte weiter zum «Spiegel». Konkret: Eine Rakete koste zirka 250'000 US-Dollar. Hinzu kommt, dass Soldaten diese teuren Abwehrsysteme bedienen müssten und dann an der Front fehlen.

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Einsatz von Mikrowellenstrahlen wird getestet

Eine einfache Möglichkeit, die Drohnen loszuwerden, ist es, sie auf niedriger Höhe mit Gewehren abzuschiessen. Keine leichte Aufgabe, da sich die Drohnen in der Luft bewegen. Letztlich ist dies aber die günstigste Variante. Kommt allerdings ein Schwarm von Kamikaze-Drohnen, müssen die Soldaten wild in die Luft feuern. Das kann gefährlich werden: Die herabfallenden Kugeln können Zivilisten verletzten oder gar töten.

Eine Lösung könnte der Einsatz von Mikrowellenstrahlen sein. Werden leistungsstarke Mikrowellenstrahlen auf die Drohnen gerichtet, fällt die Elektronik sofort aus. Eine Iran-Drohne würde sich verirren und das Ziel nicht treffen. Aber: Einsatzbereit sind die Strahlensysteme noch nicht. Es müssen erst noch Test durchgeführt werden.

Auf lange Sicht wird der Westen der Ukraine helfen können und weitere Luftabwehrsysteme liefern. So beispielsweise das Drohnenabwehrsystem Vehicle-Agnostic Modular Palletized ISR Rocket Equipment aus Amerika, Antidrohnenkanonen aus Deutschland und Crotale-Systeme aus Frankreich. Die Systeme seien effizient für die Abwehr der Drohnen, so Gressel. Das Problem: Die ukrainischen Soldaten müssen erst lernen, die Waffen einzusetzen – und das kostet Zeit. (jwg)

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