Neben Putin fährt nun ein weiterer Herrscher einer Supermacht mit Waffen auf. Der chinesische Präsident Xi Jinping (69) hat seine Drohung wahr gemacht und lässt nach dem Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi (82), der Mehrheitssprecherin im US-Repräsentantenhaus, Raketen aufs Meer schiessen und Kriegsschiffe auslaufen.
Zudem hat Xi wegen Einmischung «in innere Angelegenheiten Chinas» Sanktionen gegen Pelosi und deren Familienangehörige verhängt sowie mit den USA den Dialog zum Klimaschutz und anderen Themen gestoppt.
Ein hartes Paket, das der chinesische Präsident da schnürt. Er tut dies, um seinem Volk und der Kommunistischen Partei zu zeigen, dass er es ist, der die internationale politische Agenda diktiert. Dieses Zeichen ist vor allem gegen innen wichtig: Im Herbst steht seine Bestätigung als Parteisekretär an.
Auch wenn die Wiederwahl kaum gefährdet ist, muss er für einen Erfolg sorgen. Die Pandemie hat China schwer getroffen und – als vermutlichen Ursprungsort des Virus – weltweit ein schlechtes Image beschert. Die vor kurzem noch florierende Wirtschaft stockt wegen Xis sturer Lockdown-Politik.
Kampf gegen Korruption
Dabei hatte Xi 2012 ein erfolgreiches Debüt gegeben. Ralph Weber (47), China-Experte an der Uni Basel, sagt: «Als Xi Jinping an die Macht kam, befand sich die Kommunistische Partei in einem bedenklich schlechten Zustand. Durch eine gross angelegte Antikorruptionskampagne und andere Massnahmen ist es Xi jedoch gelungen, die Partei erneut auf Linie zu bringen und wieder unverrückbar in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verankern.»
Was Xi allerdings als Kampf gegen Korruption ankündigte, führte in eine schwere Repression von Oppositionellen. Unter seiner Führung kam es zur Umsetzung der Assimilationspolitik, zu Umerziehungslagern sowie der Verfolgung der muslimischen Uiguren und anderen Minderheiten. Auch die Aggression gegenüber Taiwan und Hongkong nahm zu.
Gehirnwäsche in der Schule
Seit jüngstem haben 300 Millionen Schülerinnen und Schüler von der Grundstufe bis zur Hochschule ein neues Fach. Es heisst «Xi Jinpings Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära». Unter dem Bild des lächelnden Xi steht im Lehrbuch: «Grossvater Xi ist sehr mit seiner Arbeit beschäftigt. Aber dennoch nimmt er an unseren Aktivitäten teil und sorgt sich um uns.» Kritiker sprechen von Gehirnwäsche eines ganzen Volks.
Wo steht der chinesische Präsident Xi Jinping? China-Experte Ralph Weber von der Uni Basel macht für Blick eine Einschätzung.
Xi und die Wirtschaft
Als Xi Jinping 2012/13 an die Macht kam, befand sich die Kommunistische Partei in einem bedenklich schlechten Zustand. Durch eine grossangelegte Antikorruptionskampagne und andere Massnahmen ist es Xi jedoch gelungen, die Partei erneut auf Linie zu bringen und wieder unverrückbar in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verankern.
In den letzten Jahren, in denen wir allgemein eine autoritäre Schliessung der VR China und eben gar totalitäre Tendenzen beobachten konnten, hat dies auch die Wirtschaft zunehmend zu spüren bekommen. Das Schicksal von Jack Ma und Alibaba mag dafür symbolisch stehen, aber hier sind auch zahlreiche subtilere Mechanismen und neue Schranken zu verzeichnen, die Wirtschaftsakteure in der Praxis erleben.
Die Wirtschaft hat lange eine Sonderstellung mit vergleichsweise mehr Freiheiten genossen, weil das Regime natürlich auf die Legitimation durch geschaffenes Wirtschaftswachstum angewiesen war. Im Konfliktfall, wenn es also etwa zwischen Wirtschaftswachstum und dem Machtmonopol der Partei zu wählen gilt, wird ein solches Regime natürlich immer seine eigene Existenz voranstellen. Die Probleme, die sich damit in Sachen Legitimation ergeben, werden durch zusätzliche Repression aufgefangen. Die Corona-Lockdowns in der ersten Hälfte dieses Jahres exemplifizieren diesen Zusammenhang.
Wenn Xi nun also für eine aus festlandchinesischer Sicht so zentrale Angelegenheit wie Taiwan – die «Wiedervereinigung mit dem Mutterland», wie das in der Propagandasprache heisst, ist seit jeher als eines der obersten Ziele festgehalten – wirtschaftliche Rückschläge in Kauf nehmen muss, dann wird er das tun.
Xi und die Macht
Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, hat beim Taiwanbesuch angedeutet, dass die harsche Reaktion der chinesischen Seite vielleicht mit der schwierigen innenpolitischen Lage zu tun habe, in der Xi Jinping sich befände. Das Jahr 2022 war für Xi Jinping bisher sicherlich einiges unangenehmer, als er sich das vorgestellt hatte. Auf das Bekenntnis einer unzerbrechlichen Freundschaft mit Russland hat Putin einen Krieg gegen die Ukraine begonnen, der Xi aus verschiedensten Gründen nicht gelegen kommt.
Das chinesische Propagandanarrativ, dass man Corona viel besser als liberale Demokratien im Griff habe, hat sich mit den Lockdowns und der einhergehenden globalen medialen Aufmerksamkeit ins Gegenteil gedreht. Dazu kommen wirtschaftliche Probleme. All das setzt Xi innerhalb der Partei unter Druck. Man darf aber trotz allem nicht vergessen, dass er ja im Herbst zum dritten Mal als Parteisekretär bestätigt werden kann, weil er dafür die Regeln ändern lassen konnte, was Ausdruck einer ausserordentlichen Machtstellung ist.
Auch wenn es für ihn derzeit unangenehm sein mag und er natürlich auch gewichtige Gegner in der Partei hat, heisst das noch lange nicht, dass seine Vormachtstellung in der Partei tatsächlich gefährdet ist. Es handelt sich ja übrigens natürlich nicht um eine echte Wahl im Herbst, die wichtigen Positionsnahmen und Beschlüsse dazu werden schon jetzt im Sommer gefasst. Der Parteikongress im Herbst vollzieht dann, was schon beschlossene Sache ist.
Xi und Putins Krieg
Nachdem anfangs einzelne Stimmen noch eine mögliche vermittelnde Rolle der VR China in Putins Angriffskrieg in der Ukraine sahen, hat sich der Eindruck inzwischen doch stark verdichtet, dass die VR China zwar auf der Ebene der Rhetorik und vielleicht auch der Ideologie offen zu Russland hält, sicherheitspolitisch sich versucht, aus der Sache, wenigstens nach aussen hin, möglichst rauszuhalten und wirtschaftlich zwar mehr Güter und Rohstoffe aus Russland einführt, aber doch seine Beziehungen zu den USA und Europa nicht riskieren möchte.
Zwar haben sich Xi und Putin in der Vergangenheit sehr oft persönlich getroffen, aber selbstverständlich werden beide letztlich ihre eigenen Interessen je voranzustellen wissen. Russland ist für China zwar ein wichtiger Partner, aber auch klar der Junior-Partner.
Xi und Amerika
Die globale geopolitische Rivalität zwischen der VR China und den USA definiert unsere Zeit. Zwar ist man wirtschaftlich mannigfach verzahnt, aber ideologisch und sicherheitspolitisch stehen sich zunehmend zwei Blöcke unter der jeweiligen Führung dieser Grossmächte gegenüber. So beschreibt das etwa auch der Sicherheitsbericht des Nachrichtendiensts des Bundes.
Die VR China fordert zunehmend die amerikanische Hegemonialstellung heraus und versucht auf die Ausgestaltung der internationalen Regeln und Institutionen Einfluss zu nehmen. In gewisser Hinsicht kann man auch die derzeitigen Ereignisse in der Taiwanstrasse als eine Machtdemonstration den USA gegenüber lesen. Bei der Raketenkrise von 1995/96 hat die VR China ebenfalls grossangelegte Militärmanöver rund um Taiwan herum durchgeführt. Damals haben die USA mit einer Fahrt einer US-Flotte durch die Taiwanstrasse der VR China ihre Grenzen aufgezeigt.
Derzeit sind die Militärmanöver umfassender, gegenüber Taiwan und seinen Souveränitätsansprüchen insgesamt übergriffiger und mit den Raketen in japanische Gewässer auch noch internationaler. Die USA ihrerseits haben in einer ersten Reaktion einen Flugzeugträger um einige hundert Kilometer zurückgezogen. Es wird interessant sein zu sehen, ob die USA irgendwie ihre Macht auch dieses Mal demonstrieren werden oder sich einfach nur deeskalierend zurücknehmen.
Natürlich befindet sich die VR China heute in einer ganz anderen Position als 1995/96. Die Militärmanöver sind aber aus dieser Perspektive vielleicht nicht in erster Linie an Taiwan gerichtet.
Wo steht der chinesische Präsident Xi Jinping? China-Experte Ralph Weber von der Uni Basel macht für Blick eine Einschätzung.
Xi und die Wirtschaft
Als Xi Jinping 2012/13 an die Macht kam, befand sich die Kommunistische Partei in einem bedenklich schlechten Zustand. Durch eine grossangelegte Antikorruptionskampagne und andere Massnahmen ist es Xi jedoch gelungen, die Partei erneut auf Linie zu bringen und wieder unverrückbar in allen gesellschaftlichen Bereichen zu verankern.
In den letzten Jahren, in denen wir allgemein eine autoritäre Schliessung der VR China und eben gar totalitäre Tendenzen beobachten konnten, hat dies auch die Wirtschaft zunehmend zu spüren bekommen. Das Schicksal von Jack Ma und Alibaba mag dafür symbolisch stehen, aber hier sind auch zahlreiche subtilere Mechanismen und neue Schranken zu verzeichnen, die Wirtschaftsakteure in der Praxis erleben.
Die Wirtschaft hat lange eine Sonderstellung mit vergleichsweise mehr Freiheiten genossen, weil das Regime natürlich auf die Legitimation durch geschaffenes Wirtschaftswachstum angewiesen war. Im Konfliktfall, wenn es also etwa zwischen Wirtschaftswachstum und dem Machtmonopol der Partei zu wählen gilt, wird ein solches Regime natürlich immer seine eigene Existenz voranstellen. Die Probleme, die sich damit in Sachen Legitimation ergeben, werden durch zusätzliche Repression aufgefangen. Die Corona-Lockdowns in der ersten Hälfte dieses Jahres exemplifizieren diesen Zusammenhang.
Wenn Xi nun also für eine aus festlandchinesischer Sicht so zentrale Angelegenheit wie Taiwan – die «Wiedervereinigung mit dem Mutterland», wie das in der Propagandasprache heisst, ist seit jeher als eines der obersten Ziele festgehalten – wirtschaftliche Rückschläge in Kauf nehmen muss, dann wird er das tun.
Xi und die Macht
Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, hat beim Taiwanbesuch angedeutet, dass die harsche Reaktion der chinesischen Seite vielleicht mit der schwierigen innenpolitischen Lage zu tun habe, in der Xi Jinping sich befände. Das Jahr 2022 war für Xi Jinping bisher sicherlich einiges unangenehmer, als er sich das vorgestellt hatte. Auf das Bekenntnis einer unzerbrechlichen Freundschaft mit Russland hat Putin einen Krieg gegen die Ukraine begonnen, der Xi aus verschiedensten Gründen nicht gelegen kommt.
Das chinesische Propagandanarrativ, dass man Corona viel besser als liberale Demokratien im Griff habe, hat sich mit den Lockdowns und der einhergehenden globalen medialen Aufmerksamkeit ins Gegenteil gedreht. Dazu kommen wirtschaftliche Probleme. All das setzt Xi innerhalb der Partei unter Druck. Man darf aber trotz allem nicht vergessen, dass er ja im Herbst zum dritten Mal als Parteisekretär bestätigt werden kann, weil er dafür die Regeln ändern lassen konnte, was Ausdruck einer ausserordentlichen Machtstellung ist.
Auch wenn es für ihn derzeit unangenehm sein mag und er natürlich auch gewichtige Gegner in der Partei hat, heisst das noch lange nicht, dass seine Vormachtstellung in der Partei tatsächlich gefährdet ist. Es handelt sich ja übrigens natürlich nicht um eine echte Wahl im Herbst, die wichtigen Positionsnahmen und Beschlüsse dazu werden schon jetzt im Sommer gefasst. Der Parteikongress im Herbst vollzieht dann, was schon beschlossene Sache ist.
Xi und Putins Krieg
Nachdem anfangs einzelne Stimmen noch eine mögliche vermittelnde Rolle der VR China in Putins Angriffskrieg in der Ukraine sahen, hat sich der Eindruck inzwischen doch stark verdichtet, dass die VR China zwar auf der Ebene der Rhetorik und vielleicht auch der Ideologie offen zu Russland hält, sicherheitspolitisch sich versucht, aus der Sache, wenigstens nach aussen hin, möglichst rauszuhalten und wirtschaftlich zwar mehr Güter und Rohstoffe aus Russland einführt, aber doch seine Beziehungen zu den USA und Europa nicht riskieren möchte.
Zwar haben sich Xi und Putin in der Vergangenheit sehr oft persönlich getroffen, aber selbstverständlich werden beide letztlich ihre eigenen Interessen je voranzustellen wissen. Russland ist für China zwar ein wichtiger Partner, aber auch klar der Junior-Partner.
Xi und Amerika
Die globale geopolitische Rivalität zwischen der VR China und den USA definiert unsere Zeit. Zwar ist man wirtschaftlich mannigfach verzahnt, aber ideologisch und sicherheitspolitisch stehen sich zunehmend zwei Blöcke unter der jeweiligen Führung dieser Grossmächte gegenüber. So beschreibt das etwa auch der Sicherheitsbericht des Nachrichtendiensts des Bundes.
Die VR China fordert zunehmend die amerikanische Hegemonialstellung heraus und versucht auf die Ausgestaltung der internationalen Regeln und Institutionen Einfluss zu nehmen. In gewisser Hinsicht kann man auch die derzeitigen Ereignisse in der Taiwanstrasse als eine Machtdemonstration den USA gegenüber lesen. Bei der Raketenkrise von 1995/96 hat die VR China ebenfalls grossangelegte Militärmanöver rund um Taiwan herum durchgeführt. Damals haben die USA mit einer Fahrt einer US-Flotte durch die Taiwanstrasse der VR China ihre Grenzen aufgezeigt.
Derzeit sind die Militärmanöver umfassender, gegenüber Taiwan und seinen Souveränitätsansprüchen insgesamt übergriffiger und mit den Raketen in japanische Gewässer auch noch internationaler. Die USA ihrerseits haben in einer ersten Reaktion einen Flugzeugträger um einige hundert Kilometer zurückgezogen. Es wird interessant sein zu sehen, ob die USA irgendwie ihre Macht auch dieses Mal demonstrieren werden oder sich einfach nur deeskalierend zurücknehmen.
Natürlich befindet sich die VR China heute in einer ganz anderen Position als 1995/96. Die Militärmanöver sind aber aus dieser Perspektive vielleicht nicht in erster Linie an Taiwan gerichtet.
Am Weltwirtschaftsforum von 2017 in Davos hatte er sich ganz anders gegeben. Er plädierte für den «Aufbau einer offeneren und inklusiveren Weltwirtschaft» und gab sich als «glühender Verfechter der Globalisierung und des Freihandels». Vier Jahre später bekräftigte er am gleichen Anlass seine Absicht, die sechs Konzepte Friede, Entwicklung, Fairness, Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit zu verfolgen.
Geballte Macht bis ans Lebensende
Xi Jinping – in zweiter Ehe mit der Volksmusiksängerin Peng Liyuan (59) verheiratet und Vater der 30 Jahre alten Tochter Xi Mingze – war 2012 zum Parteichef gewählt worden. Um seine Macht auszubauen, hat Xi die bisherige Amtszeitbeschränkung als Staatspräsident von zehn Jahren aus der Verfassung streichen lassen. Mit der gleichzeitigen Machtansammlung – er ist Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Vorsitzender der Militärkommission, Staatspräsident und Chef vieler wichtiger Gremien – taucht Xi in die alten Zeiten von Diktator Mao Zedong (1893–1976) ab und baut sich so eine lebenslange Ein-Mann-Herrschaft als «Überragender Führer» auf.
Mehr zum machtbesessenen Xi
Seit Xi an der Macht ist, wächst die totale Überwachung im mit 1,4 Milliarden Einwohner zählenden grössten Land der Welt. Tausende von Kameras mit Gesichtserkennungsprogramm zeichnen Bewegungen im öffentlichen Raum auf. Wenn eine verdächtige Person im Hotel eincheckt, ein Flugbillett kauft oder eine Provinzgrenze überschreitet, wird Alarm geschlagen.
Die Armee hat er mit Hyperschallraketen, noch mehr Nuklearsprengköpfen und einem supermodernen Flugzeugträger aufgerüstet. Sie ist heute fast so stark wie die Nummer eins der Welt, nämlich jene der USA.
Zwischen Putin und dem Westen
Den russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) hat er zu seinem Freund gemacht. Eine klare Verurteilung des Kriegs in der Ukraine ist bislang ausgeblieben. Gleichzeitig will Xi den Westen nicht verärgern. Weber: «Der Eindruck hat sich inzwischen doch stark verdichtet, dass die Volksrepublik China zwar auf der Ebene der Rhetorik und vielleicht auch der Ideologie offen zu Russland hält, aber doch seine Beziehungen zu den USA und Europa nicht riskieren möchte.»
Der Druck auf Xi ist gross. Zu einem Krieg, so sind sich die meisten Experten einig, wird es zwar kaum kommen. Aber er muss Härte zeigen, was er mit massiven Bedrohungen gegenüber Taiwan macht. Er kann gar nicht anders, wenn er gegenüber seinem Volk und seiner Partei glaubwürdig bleiben will.