Polen macht eine politische Kehrtwendung. Nach acht Jahren mit einer national-konservativen PiS-Regierung übernimmt diese Woche eine gemässigte Regierung mit drei proeuropäischen Parteien das Ruder. Ministerpräsident wird Donald Tusk (66), der schon von 2007 bis 2014 als polnischer Regierungschef und anschliessend bis 2019 als Präsident des Europäischen Rates in Brüssel wirkte.
Die aktuelle Regierung wird abgesetzt, nachdem am Montagnachmittag der amtierende PiS-Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (55) im Parlament die Vertrauensabstimmung verloren hat. Staatspräsident Andrzej Duda (51) – bis zu seiner Wahl zum Präsidenten ebenfalls PiS-Mitglied – hatte ihn mit der Bildung einer Regierung beauftragt, weil die PiS bei den Wahlen Mitte Oktober mit 35,4 Stimmenanteil die stärkste Partei war. Allerdings wusste Duda schon da, dass die PiS keine Partner für eine absolute Mehrheit finden würde.
Kampfeslustige Opposition
Erwartungsgemäss wird die PiS nun in die Opposition gehen. Und zwar «kampfeslustig», wie Kai-Olaf Lang (56), Polen-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, prophezeit. Lang sagt gegenüber Blick: «Die PiS wird voraussichtlich eine Fundamentalopposition sein. Die Rhetorik von Parteichef Kaczynski, zahlreichen anderen PiS-Granden oder in den PiS-nahen Medien legt nahe, dass die PiS in kompromissloser Frontstellung gegen die künftige Regierung auftreten wird.»
Die PiS hatte Polen auf einen katholisch-konservativen Kurs mit Anti-EU-Rhetorik geführt: Abtreibungsverbot, Untergrabung des Justizsystems, scharfe Migrationspolitik, Kontrolle der Medien – auch die Einführung der Todesstrafe wurde zum Thema.
Solange Parteichef Jaroslaw Kaczynski (74) die Zügel in der Hand halte, sei mit keiner Kursänderung zu rechnen, sagt Lang. «Damit wird es für die PiS aber auch schwer, sich für neue Wählerschichten zu öffnen, so etwa für gemässigte Konservative oder Menschen aus den Städten.»
Neue Regierung baut wieder um
Was hat die neue Regierung vor? Sie wolle zum einen den von der PiS vorangetriebenen Umbau von Justiz, öffentlichen Medien oder im Kulturbereich wieder rückgängig machen. Lang: «Insbesondere die Rückabwicklung der Justizreformen der PiS ist nicht banal. Denn die Wiederherstellung des Rechtsstaates kann nur mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgen.» Überall dort, wo es Gesetze brauche, könne Duda der neuen Regierung das Leben schwer machen. Auch das Verfassungsgericht und andere von der PiS dominierte Institutionen könnten Sand ins Getriebe der Regierung Tusk streuen.
Lang erwartet von der neuen Regierung einen Neubeginn in der Europapolitik. Allerdings werde sie keineswegs nachgiebig sein, sondern in Fragen wie der Migrations- oder der Klimapolitik konsequent nationale Interessen Polens vertreten.
In Sachen Ukraine werde die neue Regierung weiterhin «eine Sachwalterin der Unterstützung für das von Russland angegriffene Land» bleiben und auch weiterhin den EU-Beitritt des Nachbarn befürworten. Aber man werde hier die Belange etwa der polnischen Landwirte oder der Spediteure und anderer Interessengruppen durchsetzen wollen.
Lang bezeichnet Staatspräsident Duda als das «letzte Bollwerk des national-konservativen Lagers auf den Gipfeln der Macht in Polen». Der Staatspräsident, der innenpolitisch Entscheidungen mit einem Veto blockieren kann, werde sowohl als Gegenspieler als auch als Kooperationspartner für Tusk agieren.