Wahl der Liberalen in Polen hat Auswirkungen auf Europa und Russland
Darum ist der Wahlsieg von Donald Tusk eine so grosse Nummer

In Polen wird die national-konservative PiS wohl aus der Regierung ausscheiden müssen. Von aussen wird sie aber versuchen, eine neue liberale und EU-freundliche Regierung zu blockieren. Dazu hat sie mehrere Möglichkeiten.
Publiziert: 16.10.2023 um 16:06 Uhr
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Aktualisiert: 16.10.2023 um 16:34 Uhr
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Landet auf Platz zwei und dürfte neuer Ministerpräsident werden: Donald Tusk.
Foto: AFP
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Guido FelderAusland-Redaktor

Polen steht vor einem Richtungswechsel. Nach den Wahlen vom Wochenende dürften wohl drei proeuropäische Oppositionsparteien um den ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk (66) die neue Regierung bilden. Nach wie vor stärkste Partei ist zwar die seit acht Jahren regierende national-konservative Rechtspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (55), allerdings würde es ihr selbst in Koalition mit der ultrakonservativen Konfederacja nicht zu einer Regierungsmehrheit reichen.

Staatspräsident Andrzej Duda (51) wird entscheiden, wem er den Auftrag zur Regierungsbildung gibt. Auch wenn er selber bis zu seiner Präsidentenwahl 2015 PiS-Mitglied war, kommt er wegen des Kräfteverhältnisses kaum darum herum, den Ball der Opposition zuzuspielen.

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Mit rund 73 Prozent war die Wahlbeteiligung so gross wie seit 1989 nicht mehr. Obwohl das offizielle Ergebnis erst am Dienstagmorgen bekannt gegeben wird, feierte sich Tusk schon am Wochenende als Sieger und neuer Ministerpräsident. Er jubelte: «Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen. Wir haben sie entmachtet. Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden.» Tusk, welcher der liberal-konservativen Bürgerkoalition (KO) angehört, war bereits 2007 bis 2014 Regierungschef.

PiS plante Todesstrafe

Die PiS hatte Polen auf einen katholisch-konservativen Kurs mit Anti-EU-Rhetorik geführt: Abtreibungsverbot, Untergrabung des Justizsystems, scharfe Migrationspolitik, Kontrolle der Medien – auch die Einführung der Todesstrafe wurde zum Thema.

Immer mehr wurde Deutschland zum Feindbild gestempelt. Von Berlin fordert die PiS Reparationszahlungen für den Zweiten Weltkrieg in der Höhe von 1,3 Billionen Euro. Die Partei schimpft Tusk einen Agenten deutscher Interessen.

Polen steht mit der EU auf Kriegsfuss, weil Brüssel wegen der umstrittenen polnischen Justizreform rund 36 Milliarden Euro an Zuschüssen und Darlehen aus dem EU-Konjunkturprogramm eingefroren und eine Strafe in dreistelliger Millionenhöhe aufgebrummt hatte.

Geld hat Polen dringend nötig. Die Inflation beträgt rund 20 Prozent. Sozialleistungen, welche die PiS versprochen hatte, können nicht ausbezahlt werden.

Neue Freundschaft mit Brüssel

Bei einer neuen Regierung wird Brüssel jubeln. Kai-Olaf Lang (56), Polen-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sagt: «Obschon nicht alle Differenzen wegfallen werden und Warschau bei Fragen wie der Migrations- oder Klimapolitik auch für eigene Belange fechten würde, ist mit einer pragmatischen und konstruktiven Politik zu rechnen. Polen wird sich wieder im politischen Zentrum der EU bewegen, die Gemeinschaft wird dadurch gestärkt.»

Im Umgang mit dem Ukraine-Krieg dürfte es auch mit einer neuen Regierung neue Akzente geben. «Die Phase der enthusiastischen Unterstützung für die Ukraine ist vorüber, und die Interessen der polnischen Bauern beim Import von landwirtschaftlichen Gütern wird auch eine neue Exekutive in Warschau schützen wollen», sagt Lang.

Allerdings werde die Tonlage etwas umsichtiger sein. Lang: «Polen wird seine Rolle als wichtige Drehscheibe für die Versorgung der Ukraine und sein enges sicherheitspolitisches Verhältnis zu den USA aufrechterhalten.»

Präsident hat Vetorecht

Doch auch ohne Regierungsverantwortung würde die PiS nicht einfach verschwinden, meint Kai-Olaf Lang. «Sie hat ein solides Wahlergebnis eingefahren und wird weiter den Staatspräsidenten stellen, der ein Vetorecht hat, mit dem er Gesetze ausbremsen kann.»

Zudem habe die Partei Gesetze geschaffen, die nicht so schnell umgestossen werden und einer neuen Regierung das Leben schwer machen könnten. Lang: «Ein von der jetzigen Opposition formierte künftige Regierung wird also nicht einfach durchregieren können.»

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