Lange zitterte Sanna Marin (37) um ihren Posten – am Ende reicht es nicht. Die finnische Ministerpräsidentin verliert gemäss einer ersten Hochrechnung ihr Amt. Ihre sozialdemokratische Partei landet Prognosen zufolge nur auf dem dritten Platz, hinter der konservativen Nationale Sammlungspartei Kok von Ex-Finanzminister Petteri Orpo (53) und der rechtspopulistischen Finnen-Partei unter der Führung von Riika Purra (45). Am späten Abend räumt Marin ihre Wahlniederlage ein.
Dass Sanna Marin Böses ahnte, zeigte sich unter anderem nach Bekanntgabe der ersten Zwischenresultate. Alle Parteichefs stellten sich der internationalen Presse – ausser Marin. Sie liess erst ausrichten, erst nach Bekanntgabe der Resultate Fragen beantworten zu wollen. Später zeigte sich die 37-Jährige doch noch den Journalisten. Auf die Frage von Blick, welche Fehler sie in ihrer Amtszeit gemacht habe, antwortete Marin aber nur ausweichend und sprach davon, dass sie im Land grosse Fortschritte erzielt habe.
Grosser Politstar
Im Wahlzentrum der Sozialdemokraten im Hotel Presidentti zeigten sich ihre Anhänger zunächst noch gut gelaunt. Viele ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer wie etwa Rosamarie (29) trugen beim Besuch von Blick T-Shirts mit der Aufschrift «Team Sanna» und einem Konterfei der Politikerin.
Marin gilt weltweit als grosser Politstar, machte in den vergangenen Jahren immer wieder von sich reden. So tauchte etwa ein Video auf, das sie mit Freundinnen beim Tanzen zeigte. Weltweit erhielt die Premierministerin Lob für ihre ausgelassene Art – ausser im eigenen Land. Denn während ihre Ministerpräsidentin das Land gegen aussen gut repräsentierte, vernachlässigte sie die Aufgaben zu Hause. So ist die Staatsverschuldung seit 2019 um 35 Milliarden auf 177 Milliarden Euro angewachsen. Marin wird vorgeworfen, keinen Plan für den Schuldenabbau zu haben und wichtige Aufgaben an Minister zu delegieren.
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In dieses Horn blies am Sonntag auch Rechtspopulisten-Chefin Riikka Purra. Im Apollo Club in der Hauptstadt Helsinki, wo ihre Partei die Wahlen mitverfolgte, nahm sich Purra Zeit, um mit Blick zu sprechen. Sanna Marin habe nicht alles schlecht gemacht in den vergangenen Jahren, sagte sie. «Sicherheitspolitisch sind wir einen grossen Schritt nach vorne gekommen, wir stehen kurz vor dem Beitritt zur Nato», so Purra. Problematisch sei die hohe Staatsverschuldung. «Sanna Marin hat zu viel Geld ausgegeben. Auch die Migrationspolitik von ihr war viel zu weich.»
Jetzt kommt Konservativen-Chef
Der Chef der Konservativen sprach ebenfalls über die Finanzprobleme des Landes. Von Blick mit der Frage konfrontiert, was sich in Zukunft in Finnland ändern müsse, sagte der aller Voraussicht nach neue Ministerpräsident Petteri Orpo: «Viel ändern muss sich nicht – bis auf einen Punkt. Wir müssen unsere Finanzen in den Griff bekommen und endlich wieder mit einem anständigen Haushalt wirtschaften.» Er sprach von einem «grossen Sieg» und fügte an: «Die Finnen haben gezeigt, dass sie einen Wechsel wollen.»
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Nun beginnen die Koalitionsverhandlungen der Konservativen, vermutlich mit der rechtspopulistischen Finnen-Partei. «Wir könnten sehr harte und lange Regierungsverhandlungen erleben», sagt dazu die finnische Politologin Hanna Wass (45) von der Universität Helsinki. Die Resultate würden einen Rechtsruck der Wählerschaft in der Wirtschaftspolitik widerspiegeln. «Die Wähler wollen eine Kürzung der Ausgaben und der öffentlichen Schulden und keine Steuererhöhungen. Das ist die Linie, welche die Konservativen verfolgen.»
Ob Orpo auf internationaler Bühne indes ähnliche Aufmerksamkeit erregen kann wie Politstar Marin, wird sich weisen.