Polens Regierung dachte laut darüber nach, Artikel 4 des Nato-Vertrages aktivieren. Diesen Artikel nutzen Mitgliedsstaaten, die sich von einem Staat oder einer Terrororganisation bedroht fühlen.
Die Artikel vier und fünf des Nato-Gründungsvertrages vom 4. April 1949 sind Kernelemente des Verteidigungsbündnisses. Vor allem Artikel fünf gilt als Herzstück – in ihm ist der sogenannte Bündnisfall geregelt.
Auf Artikel vier muss keine militärische Reaktion folgen
Artikel vier besagt: «Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist.» Konkrete Reaktionen muss das nicht zur Folge haben.
Der Artikel wurde Nato-Angaben zufolge seit der Gründung des Bündnisses 1949 sieben Mal in Anspruch genommen. Zuletzt war das am 24. Februar 2022 der Fall. Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakei und die Tschechische Republik hatten dies nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine beantragt.
Artikel fünf regelt Angriff gegen alle
In Artikel fünf ist geregelt, dass die Bündnispartner einen bewaffneten Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen sie alle ansehen. Sie verpflichten sich, Beistand zu leisten. Konkret heisst es, dass es dabei um die für sie als erforderlich erachteten Massnahmen geht, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten – einschliesslich Waffengewalt.
Artikel fünf ist in der Nato-Geschichte erst ein einziges Mal aktiviert worden, nach den Anschlägen am 11. September 2001. Dies führte dazu, dass Deutschland und andere Nato-Staaten sich am Krieg gegen die Taliban und die Terrororganisation Al-Kaida in Afghanistan beteiligten.
Aus dem Wortlaut des Artikels geht aber nicht hervor, dass Nato-Staaten zum Beispiel eigene Truppen zur Unterstützung entsenden müssen. Er verpflichtet lediglich dazu, unverzüglich Massnahmen zu treffen, die der jeweilige Nato-Staat für erforderlich hält.
Polen-Präsident will deeskalieren
Bei einer Pressekonferenz versucht der polnische Präsident Andrzej Duda, Ruhe zu vermitteln und die Lage zu deeskalieren. «Wir wissen, dass es praktisch den ganzen Tag über einen russischen Raketenangriff auf die Ukraine gegeben hat, aber wir haben derzeit keine eindeutigen Beweise dafür, wer die Rakete abgefeuert hat. Die Ermittlungen laufen», sagte Duda.
Er erklärt, es sei sehr wahrscheinlich, dass Polen am Mittwoch bei dem Nato-Treffen in Brüssel den Artikel 4 aktivieren werde. Er sagte: «Wir verhalten uns sehr ruhig.» (SDA/euc)