Zwei Raketen sind am Dienstagabend im polnischen Dorf Przewodów eingeschlagen. Das berichtete der lokale Radiosender Radio Zet. Zwei Menschen sind gestorben. Das Dorf grenzt unmittelbar an die Ukraine. Offenbar soll es sich bei den Raketen um verirrte Geschosse handeln. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki (54) berief den Ministerrat für nationale Sicherheit und Verteidigung zu einer Krisensitzung ein, teilt ein Regierungssprecher auf Twitter mit.
Im Anschluss an diese Sitzung gab die polnische Regierung bekannt, dass sie einen Teil seiner Streitkräfte in erhöhte Bereitschaft versetzt. Dies gelte auch für andere uniformierte Dienste, sagte ein Regierungssprecher in Warschau.
Mittlerweile hat die polnische Regierung den Einschlag einer Rakete aus russischer Produktion auf polnischem Staatsgebiet bestätigt. Es handle sich gemäss aktuellen Erkenntnissen allerdings «nicht um einen gezielten Angriff auf Polen», sagt der polnische Präsident Andrzej Duda (50) am Mittwoch. Zudem gebe es auch keine Hinweise darauf, dass die Rakete aus Russland gekommen sei. «Im Moment haben wir keinen Beweis dafür, dass es sich um eine Rakete handelte, die von russischer Seite gestartet wurde. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Luftabwehr-Rakete, die in der Ukraine gestartet wurde.» Am Mittwochnachmittag erklärte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) vor den Medien, dass es keine Hinweise für einen absichtlichen Angriff gebe. Bereits zuvor warnte Stoltenberg davor, voreilige Schlüsse zu ziehen.
Moskau nennt Berichte «Provokation»
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) ging am Dienstagabend davon aus, dass es sich um russische Raketen handelt. Das schreibt er auf seinem Telegram-Kanal. «Wie oft hat die Ukraine gesagt, dass der Terrorstaat sich nicht auf unser Land beschränken wird», schreibt Selenski weiter. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der russische Terror noch wesentlich weiter gehen werde.
Gegen diese Vorwürfe wehrt sich der Kreml: Das russische Militär weist Berichte über den Absturz russischer Raketen auf ein polnisches Dorf als «gezielte Provokation» zurück. Es seien keine Ziele im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet beschossen worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Auch die in polnischen Medien verbreiteten Fotos angeblicher Trümmerteile hätten nichts mit russischen Waffensystemen zu tun, hiess es weiter.
Reaktionen auf die Explosionen
Erste hochrangige Politiker haben bereits auf die Raketen-Einschläge reagiert. Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis (61) schreibt auf Twitter, dass er sehr besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Polen und der Ukraine sei. «Ich rufe zu äusserster Zurückhaltung auf, damit die Ursachen und Verantwortlichkeiten ermittelt werden können.» Cassis bekundet sein Beileid: «Meine Gedanken sind bei den Familien der Opfer und bei allen, die von den Anschlägen betroffen sind.»
Artis Pabriks (56), Verteidigungsminister von Lettland, spricht ebenfalls sein Beileid auf Twitter aus. Für ihn ist klar, wer hinter den Angriffen steckt: «Das kriminelle russische Regime hat Raketen abgefeuert, die nicht nur auf ukrainische Zivilisten abzielen, sondern auch auf Nato-Gebiet in Polen gelandet sind. Lettland steht voll und ganz an der Seite unserer polnischen Freunde und verurteilt dieses Verbrechen.» Auch das estnische Aussenministerium zeigte sich besorgt: «Wir sind in voller Solidarität mit unserem engen Verbündeten Polen», schreibt das Ministerium auf Twitter. Allerdings zeigt sich das Land auch entschlossen, allenfalls einzuschreiten: «Estland ist bereit, jeden Zentimeter des Nato-Gebiets zu verteidigen.»
Auch aus Ungarn ist eine Reaktion zu vernehmen. Zoltán Kovács (53), Staatssekretär für öffentliche Diplomatie und Beziehungen, schreibt auf Twitter, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán (59) den ungarischen Sicherheitsrat einberufen hat.
Massive Raketenangriffe auf die Ukraine
Am Dienstag feuerte Russland zahlreiche Raketen auf die Ukraine. Die Raketenangriffe waren nach Angaben aus Kiew der wohl massivste Beschuss der Energieinfrastruktur seit Kriegsbeginn. Die Energielage sei kritisch, hiess es. Über sieben Millionen Haushalte sassen den Behörden zufolge am Dienstag zeitweise im Dunkeln, weil der Strom ausfiel oder abgeschaltet werden musste. «Es sind etwa 100 Raketen auf das Territorium der Ukraine abgefeuert worden», teilte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, mit. Dabei seien schwere Schäden verursacht worden.