Mit der Rückeroberung der südukrainischen Stadt Cherson konnten die Ukrainer letzte Woche einen wichtigen Etappensieg für sich entscheiden. Doch wie gelang es den ukrainischen Streitkräften, Putins Truppen in die Knie zu zwingen?
Wie das «Tagblatt» schreibt, sollen die westlichen Waffen beim Sieg in Cherson matchentscheidend gewesen sein. Und das, obwohl es seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer wieder Stimmen gibt, die behaupten, die Waffenlieferungen des Westens würden auf dem Schlachtfeld einen geringen Unterschied ausmachen.
Westliche Haubitzen verschafften Ukrainer einen Vorteil
Nachdem die ukrainischen Streitkräfte Angriffe auf wichtige Fluss-Übergänge wie die Antonow-Brücke bei Cherson und die Brücke des Wasserkraftwerks Kachowka gestartet hatte, war die Versorgung der russischen Truppen bereits massiv erschwert.
Und von da an fuhren die Ukrainer regelrecht die grossen Geschütze auf – und starteten gegen die russischen Truppen einen systematischen Artillerie-Angriff: Westliche Präzisionsartillerie wie die amerikanische M777-Haubitze, die deutsche Panzerhaubitze 2000 oder die hochmobile französische Caesar-Selbstfahrhaubitze ermöglichte es ihnen, russische Positionen aus kilometerweiter Entfernung zu attackieren. Munitionsdepots, Armeebasen und Versorgungsposten weit hinter der Frontlinie fielen den Angriffen zum Opfer.
Die Haubitzen sind nämlich nicht nur extrem präzis, sondern haben teilweise auch eine immense Reichweite. So kann die deutsche Panzerhaubitze Ziele aus über 400 Kilometer Entfernung anvisieren. Während sich die Geschütze jedoch in ihrer Reichweite unterscheiden, haben sie eins gemeinsam: Sie alle verschiessen Munition vom Nato-Standard 155 Millimeter und sind damit den russischen Geschützen einen Schritt voraus.
Als Putins Truppen schlussendlich aufgrund von Versorgungsproblemen in eine Falle gerieten, blieb ihnen nur noch eine Option: der Rückzug. Zudem hätte sie die Abwehr viel Kraft gekostet. Erhebliche Mengen an Ausrüstung, Personal und Munition seien eingesetzt worden.
Russen hinken Ukrainern hinterher
Die Ukrainer haben ihren Sieg jedoch nicht nur den grosskalibrigen Geschützen des Westens zu verdanken. Auch dank der westlichen Satellitenbilder, die sich die Ukrainer zunutze machten, verschafften sich die Ukrainer einen Vorteil. Damit konnten sie ihre Artillerie exakt auf die russischen Positionen richten. Ein weiterer Punkt, in welchem die Russen den Ukrainern hinterherhinkten.
Neben den hochmodernen Artillerie-Waffen verhalfen den Ukrainern auch die von Russlands Präsidenten Wladimir Putin (70) gefürchteten Himars-Raketenwerfer zum Erfolg. Die von den USA und Grossbritannien gelieferten Mehrfachraketenwerfer «Himars» – High Mobility Artillery Rocket System – können bis zu sechs GPS-gesteuerte Raketen abwerfen und fliegen zwischen 70 und 80 Kilometer weit.
Das Artilleriesystem kostet über fünf Millionen Schweizer Franken. Nicht zu vergessen ist dabei der aus Deutschland gelieferte Mehrfachraketenwerfer MARS II, der mit der «Himars» vergleichbar und für die Russen genauso verheerend ist.
Ukrainer verblüffen mit selbstgebastelten Drohnen
Obwohl die vom Kreml eingesetzten iranischen Kamikaze-Drohnen immer wieder für Schlagzeilen sorgen, sind die Russen nicht die Einzigen, die Drohnen einsetzen. Im Kampf um Cherson setzten die ukrainischen Truppen nämlich vermehrt selbstgebastelte Drohnen ein.
Und diese schlug den Russen mächtig aufs Gemüt. Die Drohnen werfen nämlich ungesteuert Granaten ab und richteten damit – unter anderem an russischer Militärausrüstung – grosse Schäden an. Im Internet sind inzwischen unzählige Videos der teils nur wenige tausend Franken kostenden Fluggeräte zu finden. Auch bei dem Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol überraschten die Ukrainer ihre Gegner mit selbst entwickelten Wasserdrohnen.
Eins steht fest: Mit dem Sieg über das strategisch wichtige Cherson stehen die Ukrainer aktuell nicht schlecht da. Zudem geraten nun auch nach und nach Ziele auf der besetzten Halbinsel Krim in Reichweite der Ukrainer.
Ob die russischen Truppen noch einmal einen Angriff auf die Stadt wagen, wird sich zeigen. Wie das US-Verteidigungsministerium Pentagon am Montag mitteilte, befänden sich aktuell auf der östlichen Flussseite Zehntausende russische Soldaten. Sie sollen die Absicht haben, dieses Territorium unter ihrer Kontrolle zu behalten. (dzc)