Im Rahmen der Pentagon-Leaks sind Dutzende streng geheime Dokumente des US-Verteidigungsministeriums in Umlauf geraten. Wie ein neues Dokument jetzt zeigt, dürfte Afghanistan eine wachsende Bedrohung für Europa, Asien und die Vereinigten Staaten darstellen. Das berichtet die «Washington Post».
Der Grund: Das Land sei weniger als zwei Jahre, nachdem US-Präsident Joe Biden (80) die US-Streitkräfte aus dem Land abgezogen hat, zu einem bedeutenden Koordinationszentrum für den Islamischen Staat (IS) und damit zum Schauplatz des Terrorismus geworden. Für den Rest der Welt könnte dies fatale Folgen haben, wie die Pentagon-Einschätzung zeigt: Die Terrorgruppe soll Anschläge in ganz Europa und Asien planen.
Geplante Angriffe auf Botschaften, Kirchen und die Fussball-WM
Zielscheibe der geplanten Angriffe sind dem Dokument zufolge Botschaften, Kirchen, Geschäftszentren sowie die Fifa-Fussballweltmeisterschaft sein. Brisant: Pentagon-Mitarbeitende sollen im Dezember von neun derartigen Plänen, die von IS-Führern in Afghanistan geplant wurden, gewusst haben. Bis im Februar sei die Anzahl gar auf 15 gestiegen.
«IS hat ein kosteneffizientes Modell für externe Operationen entwickelt, das sich auf Ressourcen ausserhalb Afghanistans, Agenten in den Zielländern und umfangreiche Vermittlungsnetzwerke stützt», heisst es in der Bewertung, die als streng geheim eingestuft ist. Wie die Zeitung weiter schreibt, stellen die Erkenntnisse aus Afghanistan eine Facette einer komplexen und sich entwickelnden terroristischen Bedrohung dar.
Das Dokument ist nicht das einzige der Pentagon-Leaks, das vom IS handelt. Berichte zuvor enthüllten bereits die anhaltenden Bemühungen der Terrorgruppe, in anderen Teilen der Welt Fachwissen für die Herstellung chemischer Waffen und den Betrieb von Drohnen zu erlangen.
Biden-Administration lehnt eine Stellungnahme ab
Der «Washington Post» zufolge wird der neueste Bericht mit ziemlicher Sicherheit als politische Keule benutzt werden. Mit dem chaotischen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im August 2021 sorgte die US-Regierung damals für mächtig Wirbel. Obwohl die Evakuierung mehr als 120'000 Menschen die Flucht vor der Rückkehr der Taliban an die Macht ermöglicht hatte, wurden Zehntausende von amerikanischen Verbündeten zurückgelassen.
Beamte der Biden-Administration wollten sich auf Anfrage der Zeitung nicht zu der Echtheit der durchgesickerten Dokumente äussern. Sie verteidigten jedoch ihre Bilanz bei der Terrorismusbekämpfung seit ihrem Amtsantritt. Laut Adrienne Watson, eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, sind die Vereinigten Staaten «weiterhin in der Lage, Terroristen ohne ständige Truppenpräsenz vor Ort vom Schlachtfeld zu entfernen». Zudem habe man die Antiterroroperationen neu organisiert, um künftigen Bedrohungen «überall» begegnen zu können.
Andere US-Beamte wollten sich ebenfalls nicht zu den Einzelheiten der geheimen Dokumente äussern, sagten aber, dass die Berichte vorherige Warnungen über das Potenzial für ein Wiederaufleben des Terrorismus in Afghanistan nach dem Abzug der USA zu bestätigen scheinen. (dzc)