Es war eine kleine Gruppe, maximal 20 bis 30 Personen, die sich auf dem Discord-Server «Thug Shaker Central» über Kriegsspiele, Waffen und – manchmal rassistische – Memes austauschten. An sich nichts Ungewöhnliches, es existieren Dutzende Gruppen dieser Art im Netz. Doch dann begann Jack Teixeira (21), ein Mitglied des US-Militärs und der Administrator der Gruppe, den jungen Männern und Teenagern geheime Dokumente über den Ukraine-Krieg zu zeigen.
Schon seit Oktober soll er geheime US-Informationen auf dem Server geteilt haben. Im März folgte dann der Höhepunkt: Hunderte von Seiten an Dokumenten wurden hochgeladen, darunter detaillierte Schlachtfeldkarten aus der Ukraine und Überwachungsprotokolle. Entdeckt wurden sie erst kurz vor Ostern, als sie begannen, auf Telegram zu zirkulieren.
Am Donnerstag verhaftete das FBI den jungen Mann. «Leute, es war gut – ich liebe euch alle», sagte Teixeira noch in einem Anruf an seine Freunde, wie ein Gruppenmitglied der «New York Times» erzählt. «Ich wollte nie, dass es so weit kommt. Ich habe zu Gott gebetet, dass das nie passieren würde. Und ich habe gebetet und gebetet und gebetet. Nur Gott kann entscheiden, was von nun an geschieht.»
Warum Teixeira das alles tat? Laut der amerikanischen Zeitung wollte er seine jungen Kollegen beeindrucken. Ihm droht nun eine mehrjährige Haftstrafe wegen unerlaubter Weitergabe von geheimen Regierungsdokumenten. Ausserdem muss er als aktiver Soldat mit zusätzlichen Strafen der Militärjustiz rechnen. Aktuell geht man davon aus, dass ihm pro Anklagepunkt zehn Jahre Haft drohen.
Whistleblower wollen Unrecht aus der Welt schaffen
Auch wenn der junge Soldat das grösste Datenleck der letzten zehn Jahre zu verantworten hat – ein klassischer «Whistleblower» ist er keineswegs. Die Enzyklopädie Britannica definiert den Begriff wie folgt: «Eine Person, die ohne Genehmigung private oder geheime Informationen über eine Organisation preisgibt, in der Regel im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten oder einer Verfehlung. Whistleblower geben in der Regel an, dass ihre Handlungen durch ihr Engagement für das öffentliche Interesse motiviert sind.»
Edward Snowden (39) und Chelsea Manning (35) sind die jüngsten Beispiele für «echte» Whistleblower. Snowdens Enthüllungen aus dem Sommer 2013 gaben Einblicke in das Ausmass der weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten – überwiegend denen der USA. Auch Teixeira veröffentlichte dazu Dokumente, wie die USA ihre Alliierten ausspionieren.
Manning war wie Teixeira Angehörige der US-Streitkräfte. Sie wurde 2010 unter dem Verdacht verhaftet, Dokumente der Wikileaks-Seite zugespielt zu haben. Nach einem Teilgeständnis wurde sie zu 35 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Eine Strafe, die auch auf Teixeira zukommen könnte. Manning wurde 2017 teilweise begnadigt.
Teixeira wollte keine Missstände aufdecken
Der entscheidende Unterschied zwischen Teixeira und den aufgeführten Beispielen: Teixeira wollte keine vermeintlichen Missstände öffentlich machen. Er hatte nicht die Absicht, der Weltgemeinschaft einen Dienst zu erweisen.
Der Wichtigtuer – so beschreiben ihn seine Freunde – wollte nicht einmal, dass die Dokumente den engen Kreis seiner Internetbekanntschaften verlassen. Er wollte seinen Genossen bloss beweisen, dass er ein würdiges Mitglied ihrer Gruppe ist – und es verdient, der Anführer zu sein. Und hat damit beinahe beiläufig die Welt auf den Kopf gestellt.