Peking will Lai Ching-te als taiwanischen Präsidenten verhindern
Seinetwegen lassen Chinesen Ballons steigen

Lai Ching-te (64) sorgt in Peking nicht nur für Ärger, sondern auch für Angst. Der Taiwaner will neuer Präsident auf dem Inselstaat werden und die Unabhängigkeit vorantreiben. China zieht alle Register, um seine Wahl zu verhindern.
Publiziert: 04.01.2024 um 16:40 Uhr
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Lai Ching-te will neuer Präsident Taiwans werden und die Unabhängigkeit vorantreiben.
Foto: AFP
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Guido FelderAusland-Redaktor

In Taiwan herrscht Aufregung. Seit Anfang Dezember ziehen immer wieder chinesische Ballons am Himmel der Insel vorüber. Diese Woche wurden drei weisse Flugobjekte südwestlich des Luftwaffenstützpunkts Ching Chuan Kang gesichtet, ein weiteres im Nordwesten der Insel. Sie näherten sich dem Erdboden bis auf 3650 Meter. 

Die Beobachtungen erinnern an den Überflug eines chinesischen Ballons in den USA im vergangenen Jahr. Für Washington war damals klar, dass es eine Spionageaktion war. Auch in Taiwan könnte es sich um Spionageballons handeln. Man hat aber auch einen anderen Verdacht.

Der Zeitpunkt der Ballon-Ballung dürfte kein Zufall sein. Am 13. Januar wählt das 24 Millionen Einwohner zählende Taiwan Präsident und Parlament. Das Ergebnis wird über die künftige Positionierung des Landes zu China entscheiden.

Su Tzu-yun vom taiwanischen Institut für nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung sagte der Deutschen Presse-Agentur: «China nutzt absichtlich den vorteilhaften Südwest-Wind, um öfter solche unmotorisierten Wetterballons aufsteigen und über Taiwan fliegen zu lassen und damit die Bevölkerung Taiwans vor der Wahl einzuschüchtern.»

«Separatist» führt in Umfragen

Die Vorbereitungen zu den Wahlen laufen nämlich für Peking, das Taiwan zum eigenen Staatsgebiet zählt, nicht wunschgemäss. Bei der Präsidentschaftswahl liegt gemäss Umfragen der amtierende Vizepräsident Lai Ching-te (64) von der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) mit 32 Prozent in Führung. Er will die Präsidentin Tsai Ing-wen (67) ablösen, die nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf. 

Lai Ching-te, auch als William Lai bekannt, war früher beliebter Bürgermeister von Tainan. Im Gegensatz zur amtierenden Präsidentin will er die Unabhängigkeit Taiwans noch vehementer vorantreiben. So sorgte er bei der chinesischen Führung 2014 für grossen Ärger, als er sich in Shanghai für das Recht der Taiwaner auf Selbstbestimmung aussprach. Sich derart zu äussern, hatte zuvor kaum ein taiwanischer Politiker auf chinesischem Boden gewagt. Er wird daher in Peking als «Separatist» verschrien.

Ihm stehen zwei Kandidaten der Opposition gegenüber: Neu-Taipehs Bürgermeister Hou Yu-ih (66) von der Kuomintang (KMT) sowie Ko Wen-je (64) von der Taiwanischen Volkspartei (TPP). Hou Yu-ih ist China-freundlich eingestellt und spricht sich gegen eine Unabhängigkeit Taiwans aus. Er liegt bei Umfragen mit 27 Prozent hinter Favorit Lai Ching-te zurück. Ko Wen-je mit 21 Prozent bietet eine Alternative zu den beiden grossen Parteien. Er spricht vor allem Junge an und ist ebenfalls bereit, mit Peking zusammenzuarbeiten.

China droht und lockt

Peking unternimmt alles, der KMT zum Sieg zu verhelfen. «Die Volksrepublik China macht das mit Zuckerbrot und Peitsche», sagt Simona Grano, China- und Taiwan-Expertin an der Uni Zürich. «Einerseits wendet sie Grauzonentaktiken an, wie zum Beispiel die digitale Kriegsführung und die Entsendung von Schiffen und Flugzeugen in Richtung Taiwan.» Auch die Ballons gehören dazu. 

Auf der anderen Seite versuche China, taiwanische Landsleute zu ködern – etwa mit dem Versprechen, die wirtschaftlichen Beziehungen mit der von Taiwan kontrollierten Insel Kinmen auszubauen. Grano: «Das Projekt soll zeigen, was die Taiwaner erwartet, wenn sie die Wiedervereinigung mit dem Festland akzeptieren – nämlich eine zweite Heimat für sich und ihre Familien sowie eine bevorzugte Behandlung für ihre Unternehmen.»

Da sich die Stimmen der Opposition auf zwei Parteien aufteilen werden, könnte die DPP im Gegensatz zur Präsidentschaftswahl die Parlamentswahlen verlieren. Das würde Peking in die Hände spielen. Grano: «Mit einer gespaltenen taiwanischen Regierung könnte die Kommunistische Partei versuchen, sowohl offene als auch verdeckte Operationen durchzuführen, um das Land zu destabilisieren und gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der DPP und der taiwanischen Demokratie zu beschädigen.»

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