Oberstes Gericht sagt Nein
Deutscher (52) darf nicht sterben, wie er will

Harald Mayer leidet seit 26 Jahren an Multipler Sklerose. Er ist vom Hals abwärts gelähmt und braucht rund um die Uhr Betreuung. Er will sterben, darf das aber nicht so, wie er möchte.
Publiziert: 07.11.2023 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2023 um 17:51 Uhr
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Harald Mayer kämpft seit gut sechs Jahren dafür, dass er so sterben kann, wie er möchte.
Foto: Keystone

2020 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht das Recht des Einzelnen auf ein selbstbestimmtes Sterben bestätigt und damit das bis dahin geltende Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt. Seither wird in Deutschland um die genaue Auslegung dieses neuen Grundrechts gestritten.

Gericht lehnt Antrag von MS-Patient ab

Darunter leiden insbesondere Menschen wie Harald Mayer (52). Der ehemalige Feuerwehrmann hat fortgeschrittene Multiple Sklerose und will mithilfe des Medikaments Natrium-Pentobarbital sterben. Doch gemäss «Bild» lehnten Deutschlands höchste Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig seine Forderung am Dienstag ab.

Das ist Natrium-Pentobarbital

In der organisierten Suizidbeihilfe der Schweiz kommt seit längerer Zeit praktisch ausschliesslich Natrium-Pentobarbital (NAP) zum Einsatz, um einer sterbewilligen Person eine risiko- und schmerzfreie Selbsttötung zu ermöglichen. Rund zwei bis fünf Minuten nach der Einnahme einer tödlichen Dosis von 15 Gramm schläft die Person ein. Das NAP bewirkt in Folge eine Lähmung des Atemzentrums, was anschliessend zum Tod durch Atemstillstand führt.

In Deutschland ist die Verschreibung eines Mittels zum Zweck des Suizids seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 theoretisch erlaubt. Doch bislang lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Anweisung des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) alle Bezugsanträge ab.

In der organisierten Suizidbeihilfe der Schweiz kommt seit längerer Zeit praktisch ausschliesslich Natrium-Pentobarbital (NAP) zum Einsatz, um einer sterbewilligen Person eine risiko- und schmerzfreie Selbsttötung zu ermöglichen. Rund zwei bis fünf Minuten nach der Einnahme einer tödlichen Dosis von 15 Gramm schläft die Person ein. Das NAP bewirkt in Folge eine Lähmung des Atemzentrums, was anschliessend zum Tod durch Atemstillstand führt.

In Deutschland ist die Verschreibung eines Mittels zum Zweck des Suizids seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 theoretisch erlaubt. Doch bislang lehnte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf Anweisung des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) alle Bezugsanträge ab.

Da es andere Möglichkeiten gibt, seinem Leben selbstbestimmt – aber medizinisch begleitet – ein Ende zu setzen, widerspricht das Verbot von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung laut Urteil nicht dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Vielmehr verfolge das generelle Verbot das «legitime Ziel, Miss- und Fehlgebrauch von tödlich wirkenden Betäubungsmitteln zu verhindern».

Mit Arzt und Apparat statt mit der Familie

Bei der in der Deutschland angewendeten Alternative legt ein Arzt einen Tropf und der Patient darf die Infusion selbst starten. Aufgrund Mayers Lähmung bräuchte er dafür eine spezielle Apparatur. Doch das will er nicht. «Ich möchte das selbstbestimmt tun, im Kreise meiner Familie», sagte er Ende Oktober bei der Revisionsverhandlung am BVG.

Mayers Kampf ums selbstbestimmte Sterben begann bereits 2017, als er und sechs weitere schwer kranke Personen beantragten, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital kaufen und bei sich zu Hause lagern zu dürfen, bis für sie der richtige Zeitpunkt gekommen sei. Doch das Bundesinstitut Arzneimittel und Medizinprodukte lehnte die Anträge ab.

«Das ist ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen»

Mayers Mitstreiter und er klagten sich durch die Instanzen. Doch bei der Verhandlung im Oktober sass Mayer am Dienstag allein vor Gericht. Fünf der ursprünglich sieben Kläger sind mittlerweile verstorben, zwei von ihnen durch Suizid. 

Der einzig andere Überlebende ist ein 79-jähriger Krebspatient, der laut Robert Rossbruch, dem Anwalt der Gruppe, nicht mehr in der Lage war, für den Prozess nach Leipzig zu reisen. Bezüglich des Urteils findet er klare Worte: «Das ist ein schwarzer Tag für alle suizidwilligen Menschen, die sich in Deutschland mit einem suizidgeeigneten Medikament selbst töten wollen.»

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