Seit dem rigoros niedergeschlagenen Covid-Ausbruch Ende 2019 und Anfang 2020 in Wuhan hat China eine «Zero-Covid-Strategie» verfolgt. Mit geschlossenen Grenzen, striktem Contact-Tracing und scharfen Lockdowns schafften sie die Chinesen, das Coronavirus fast vollständig zu verbannen. Das mutmassliche Ursprungsland der neuartigen Lungenseuche kehrte schneller als die meisten Länder der Welt zu einer gewissen Normalität zurück. Der Ausbruch der Delta-Variante macht jetzt auch vor den Chinesen nicht Halt.
Der jüngste Ausbruch, der letzten Monat in Nanjing begann, hat sich mit mehr als 400 bestätigten Fällen auf 17 Provinzen ausgebreitet. Knapp die Hälfte der Fälle werden als mittleres bis hohes Risiko eingestuft. Peking ist sichtlich nervös. Chinas stellvertretende Regierungschefin Sun Chunlan (71) hat sich laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua mit einem Warnruf ans Volk gewandt.
Sun erklärte am Mittwoch auf einer Tagung zur Pandemiebekämpfung in Peking, die Lage im Land sei unklar. Sie deutete an, dass die Ausbreitung der neuesten Welle noch nicht unter Kontrolle gebracht sei. Es habe «mehrere Ausbrüche in verschiedenen Teilen des Landes gegeben, und der Entwicklungstrend bleibt ungewiss», so Sun, die das Land auf den Kampf gegen eine mögliche neue Welle einschwört.
Verschärfungen in allen Bereichen
Noch vergangene Woche hatte die führende Politikern, die einzige Frau im 25-köpfigen Politbüro, den Ausbruch als «kontrollierbar» bezeichnet. Jetzt erfolgt der grösste Ausbruch seit Wuhan. Am Mittwoch erklärte Sun: «Alle Behörden müssen der Pandemiebekämpfung höchste Priorität einräumen und sicherstellen, dass die Kommandosysteme rund um die Uhr einsatzbereit sind».
Gegen alle bestätigten Fälle gehöre mit «entschlossenem Handeln» vorgegangen, wobei Sun nicht auf die empfohlenen Massnahmen einging. «Wir dürfen unsere Wachsamkeit nicht eine Sekunde lang vernachlässigen», forderte sie. «Wir müssen unsere Flughäfen, Häfen und Grenzübergänge genau überwachen und führende Beamte für Versagen zur Rechenschaft ziehen.» Zudem werden landesweit Spitäler und Kliniken inspiziert, um eventuelle Lücken zu schliessen.
Städte im ganzen Land haben Massentests durchgeführt und Lockdowns verhängt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Ausbreitung haben zu massiven Einschränkungen des Inlandsreiseverkehrs geführt. Alle Fernbusse, Taxis und Online-Autovermittlungsdienste in Gebieten mit mittlerem und hohem Risiko wurden eingestellt und Kontrollen an den Grenzen verschärft. Für «nicht dringende oder unnötige Reisen» werden vorübergehend keine Ausreisegenehmigungen und Reisepässe mehr ausgestellt. Bislang wurden in China rund 1,7 Milliarden Impfdosen gegen Covid-19 verabreicht. (kes)