Ob die Weltbevölkerung tatsächlich genau am 15. November die Acht-Milliarden-Marke knackt, ist fraglich. Da es aber unmöglich ist, den Überblick über Hunderttausende Geburten und Todesfälle pro Tag zu behalten, haben die Vereinten Nationen die Monatsmitte für den Menschheits-Meilenstein ausgewählt. 8'000'000'000 – so viele Menschen lebten noch nie auf der Erde. Doch ein Ende des Anstiegs ist in Sicht.
Wie kam die Menschheit an diesen Punkt? Der Homo sapiens tauchte nach aktuellem Kenntnisstand vor etwa 300'000 Jahren auf. In den vergangenen Jahrtausenden stieg die Zahl der Menschen stetig – abgesehen von Phasen grosser Pandemien wie etwa der Pest. Allmählich beschleunigte sich die Zunahme, und um das Jahr 0 lebten etwa 190 Millionen Menschen.
1928 waren wir noch zwei Milliarden
Mit längerer Lebenserwartung stieg die Kurve ab etwa dem Jahr 1700 deutlich steiler an – und wohl kurz nach 1800 war die erste Milliarde erreicht. Von einer Weltbevölkerung von zwei Milliarden im Jahr 1928 bis zu den heutigen acht Milliarden Menschen brauchte es keine 100 Jahre. Und das Wachstum von sieben auf acht Milliarden dauerte gar nur 11 Jahre.
Ein Grund zu feiern – oder Anlass zu Sorge? Für die Chefin des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, Natalia Kanem, beinhaltet die aktuelle Zahl viel Positives. Schliesslich spiegele sie einen fundamentalen Sprung wider: «Acht Milliarden Menschen, das ist ein bedeutsamer Meilenstein für die Menschheit. Und es ist die Kombination aus längerer Lebenserwartung, weniger Mütter- und Kindersterblichkeit und immer effektiveren Gesundheitssystemen», sagte Kanem neulich bei einem Uno-Expertengespräch.
Genügend Ressourcen
Dass viele Menschen Sorge vor Überbevölkerung haben, ist Kanem zufolge unbegründet: «Ich bin hier, um klar zu sagen, dass die schiere Zahl der Menschenleben kein Grund zur Angst ist.» Nach Einschätzung der Uno gibt es durchaus ausreichend Ressourcen – es komme auf die richtige und gerechte Verteilung an.
Frank Swiaczny vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung fügt mit Blick auf die Erderhitzung hinzu: «Mehr Menschen bedeuten dabei nicht zwangsläufig auch einen grösseren ökologischen Fussabdruck.» Fast die Hälfte der globalen CO₂-Emissionen würden von den zehn Prozent der Weltbevölkerung mit dem höchsten Einkommen verursacht, während der Beitrag der ärmsten Hälfte zu vernachlässigen sei.
Wachstum verlangsamt sich
«Das Tempo des globalen Bevölkerungswachstums verlangsamt sich», erklärt Uno-Expertin Rachel Snow. Das höchste jährliche Wachstum sei 1964 mit 2,2 Prozent jährlich erreicht worden. «Aber jetzt wachsen wir mit weniger als 1 Prozent pro Jahr.» Dieser Trend soll jüngsten Studien zufolge anhalten – bis die Weltbevölkerung ab dem Jahr 2080 den Prognosen zufolge nicht mehr weiter wachsen soll. Dann liege die Zahl der Menschen bei 10,4 Milliarden.
Besonderes Augenmerk richtet sich auf die Entwicklungen in Ländern Asiens mit besonders vielen Menschen. China als das – noch – bevölkerungsreichste Land der Erde steht vor gewaltigen Herausforderungen, denn die Geburtenrate in dem Land mit 1,4 Milliarden Menschen ist nach der 1-Kind-Politik niedrig. Experten begründen das damit, dass viele Menschen, die als Einzelkinder aufgewachsen sind, es als normal empfänden, nur ein Kind zu bekommen.
Indien wird China schon bald überholen
Indien mit seinen über 1,3 Milliarden Menschen hat eine höhere Geburtenrate und dürfte China schon im kommenden Jahr überholen. Aber auch in Indien verlangsamt sich das Wachstum – was in Zusammenhang mit der besseren Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln gebracht wird.
In keinem Erdteil wird derweil die Bevölkerung auf absehbare Zeit so zunehmen wie in Teilen Afrikas. «Afrika südlich der Sahara wird nach aktuellen Prognosen noch deutlich weiterwachsen. Ein Grossteil des künftigen Wachstums der Weltbevölkerung wird in dieser Region und in einigen Ländern in Asien stattfinden», sagt Experte Swiaczny.
Einkommensstarke Länder rutschen in negative Entwicklung
Rund 1,4 Milliarden Menschen leben nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung derzeit in Afrika. Bis 2050 wird die Bevölkerung demnach auf rund 2,5 Milliarden steigen. Bis Ende des Jahrhunderts werden etwa dreimal so viele Menschen in Afrika leben wie heute, knapp 4,3 Milliarden – etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung.
Einkommensstarke Länder wie Japan rutschen demgegenüber gegenwärtig in eine negative Bevölkerungsentwicklung ab. Für eine stabile Wachstumsrate wären Länder wie Deutschland deshalb auf Migration angewiesen. Die Uno rät in einem Bericht: «Alle Länder, unabhängig davon, ob sie einen Nettozustrom oder -wegzug von Migranten verzeichnen, sollten Schritte unternehmen, um eine geordnete, sichere, reguläre und verantwortungsvolle Migration zu erleichtern.»
Und der nächste Meilenstein? Natürlich wird es auch bei neun und zehn Milliarden Menschen auf der Erde wieder Aufsehen geben. Doch eine wirkliche Zeitenwende erwarten die Vereinten Nationen erst im Jahr 2100. Experten glauben, dass die Weltbevölkerung etwa ab dann stetig sinken wird. Doch wie bei Wettervorhersagen werden auch die Prognosen für die Entwicklung der Bevölkerung mit zunehmendem zeitlichen Abstand unsicherer. (SDA)