Präsidenten, Milliardäre, Wirtschaftsführerinnen: Sie alle scharten sich Dienstag um Wolodimir Selenski (45) und liessen sich mit dem ukrainischen Kriegspräsidenten ablichten. Keiner aber kam ihm so nahe wie die kleine Alexandra (8). «Ich habe seine Nase berührt. Das war mein Ziel den ganzen Tag», sagt das kleine Mädchen aus Mariupol, das nach Davos gereist ist, um den Menschen hier von ihrer Entführung nach Russland und ihrer Befreiung zu erzählen.
Auf 42 Nasen kommt Alexandra am Ende des Tages. Selenskis Nase, die sie am Abend bei einer Veranstaltung im Davoser Ukraine-Haus geschnappt hat, war Nummer 32, jene des Blick-Reporters Nummer 41. Und auch wenn Blick dem Präsidenten nicht ganz so nah kam wie die kleine Alexandra: Für eine einzige persönliche Frage hat es dann doch gereicht.
«Ich verlasse die Schweiz mit einem guten Gefühl. Wir hatten hier sehr gute Begegnungen – und ich möchte der Schweiz von Herzen Danke sagen», antwortet Selenski auf die Frage von Blick, was er von seiner Reise ins Bündnerland mitnehme.
Mit diesem Vergleich warnt Selenski die Welt vor Putin
Selenskis Aufenthalt in den Schweizer Bergen war alles andere als entspannend. Von der strahlenden Davoser Sonne hat er kaum etwas gesehen. Sein WEF-Trip sah so aus:
- Montagabend, 21.44 Uhr: Ankunft mit dem RhB-Spezialzug in Davos Dorf, begleitet von Dutzenden schwer bewaffneten Soldaten und Sicherheitsleuten. Zwei Minuten später brauste er in der schwarzen Mercedes-Limo mit Berner Nummernschild davon.
- Frühmorgens am Dienstag: Bilaterales Treffen mit Nato-Chef Jens Stoltenberg (64). Man habe über neue Waffen für die Ukraine und den kommenden Nato-Gipfel in Washington gesprochen, liess Selenski verlauten.
- Am Vormittag: Treffen mit 70 CEOs von globalen Grossfirmen, denen Selenski nahelegte, unbedingt in die Ukraine zu investieren. «Wenn ihr unsere Wirtschaft rettet, dann retten wir eure Sicherheit», betonte der ukrainische Präsident.
- Im Lauf des Tages dann bilaterale Treffen mit dem US-Aussenminister, mit der EU-Führung und afrikanischen Politikern.
Den grossen Auftritt hatte Selenski nachmittags um 2 Uhr im grossen WEF-Saal. «Putin ist ein Raubtier, das sich nicht zufriedengibt mit Gefrierprodukten», warnte Selenski in seiner Ansprache an die Adresse all jener, die jetzt zu Verhandlungen aufrufen und einen «eingefrorenen Konflikt» in Kauf nehmen wollen.
Russland als System funktioniere nur so lange, wie es Krieg führe. Putin habe es verfehlt, seinem «Sklavenvolk» wirtschaftliche Siege zu verschaffen. Also setze er voll auf militärische Erfolgsmeldungen. Wer glaube, dass er sich nach Verhandlungen brav zurückhalten werde, sei naiv, sagte Selenski.
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Der ukrainische Präsident, der den ganzen Tag im schwarzen Pulli mit dem ukrainischen Dreizack-Wappen unterwegs war, warnte ebenfalls davor, Russlands Absichten falsch einzuschätzen. «Wer denkt, in diesem Krieg gehe es um die Ukraine, liegt fundamental falsch», sagte er. Das russische Regime werde vor keinen Grenzen haltmachen.
Auffällig häufig erwähnte Selenski in seiner Rede und via seine Social-Media-Konten den globalen Süden, also jene Staaten in Afrika, Lateinamerika und Asien, die sich mehrheitlich noch immer neutral verhalten und Russland nicht klar Kante zeigen. «Wir brauchen euch, wir brauchen jeden, um diesen Krieg zu gewinnen und den Frieden zu sichern.»
Die Ukraine erledige die blutige Arbeit: «Kein Land in Europa hat eine Armee wie wir, keines so mutige Männer und Frauen wie wir.» Alleine aber werde man der russischen Bedrohung nicht Herr.
Deswegen kommt Selenski noch dieses Jahr zurück in die Schweiz
Und jetzt, was hat der Auftritt konkret gebracht? Waren es nur schöne Worte? «Ganz und gar nicht», sagt Igor Zhovkva (44), der stellvertretende Leiter von Selenskis Büro, zu Blick. «Wir werden noch in diesem Jahr in die Schweiz zurückkommen und gemeinsam mit der Schweizer Regierung und 82 Partner-Ländern den globalen Friedensgipfel ausrichten.»
Am Gipfel werden die unterzeichnenden Staaten versprechen, dass sie keinen anderen als den ukrainischen Zehn-Punkte-Vorschlag für die Beendigung des Kriegs akzeptieren.
Russland muss sich aus der Ukraine komplett zurückziehen, alle entführten Kinder und gefangenen Soldaten freilassen und sich einem internationalen Sondergericht stellen, das die Verantwortlichen zur Rechenschaft zieht. So will es die Ukraine. Und so will es auch die Schweiz, die das Anliegen Selenskis unterstützt.
Wann genau der ukrainische Präsident zurückkommt und wo genau der Gipfel stattfinden wird, steht in den Sternen. «2024, ganz sicher», versichert seine Delegation. Zuerst aber gehts für Selenski jetzt zurück in den ukrainischen Winter. Der ist – genau wie jener in Davos – eisig kalt und schneereich. Zeit zum gemütlichen Debattieren über die Probleme dieser Welt, wie das die globale Elite in Davos diese Woche tut, hat in der Ukraine derzeit aber niemand.