Was geschah am 26. September 2022 an der Ostsee? Noch immer ist das Rätsel rund um die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines ungelöst. Waren es die Russen selbst? War es die Ukraine? Wurde die Aktion von den USA beauftragt? Es gibt mehrere Mythen – doch Untersuchungen ergaben bislang kaum schlüssige Ergebnisse. Nun gibt es neue Hinweise, die zum ukrainischen Spezialkräfte-Kommandeur Roman Tscherwinski (48) führen.
Recherchen von «Spiegel» und «Washington Post» zufolge soll Tscherwinski eine entscheidende Figur bei der Sabotage der Pipelines gewesen sein. Der Kommandeur war jahrelang für den ukrainischen Geheimdienst tätig. Als Ex-Agent meldete er sich nach Beginn des Ukraine-Kriegs als Freiwilliger für das Spezialkräfte-Kommando. In Sicherheitskreisen bezeichnet man Tscherwinski als «Koordinator» der Operation in der Ostsee.
Der ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter soll das Sabotagekommando, das aus Spezialisten bestand, gebildet und angewiesen haben. In mehreren internen Dokumenten soll der Name Tscherwinski auftauchen.
Ex-Geheimdienstler sitzt in U-Haft
Tscherwinski muss sich derzeit vor einem Gericht in Kiew verantworten – allerdings nicht wegen der Nord-Stream-Sprengung. Ihm wird vorgeworfen, dass er im Sommer 2022 ohne Absprache einen russischen Kampfpiloten zum Überlaufen bewegen wollte. Doch der Pilot wechselte die Seite nicht und gab die Koordinaten, die Tscherwinski ihm nannte, an seine Kollegen weiter. Am genannten Ort waren ukrainische Truppen stationiert. Russische Truppen griffen den Ort an – dabei starben drei Menschen.
Der ukrainische Kommandeur bestreitet jede Schuld am Sabotageakt in der Ostsee. Auf Anfrage von «Spiegel» teilte er über seinen Anwalt mit, die Anschuldigungen seien «russische Propaganda».
Die Strafverfolgung von Generalbundesanwalt, Bundeskriminalamt und Bundespolizei sucht nach Aufklärung für die Sprengung. Tscherwinskis Name taucht darin nicht auf. Seine Frau ist indes sicher: Ihr Mann würde nie etwas tun, das der Ukraine schadet. (jwg)