Auch wenn die Taliban seit einem Jahr an der Macht sind, hält Nasir Ahmad Andisha (43) für die vertriebene afghanische Regierung immer noch als Botschafter in Genf die Stellung. «Die Botschafter der Islamischen Republik Afghanistan haben sich weltweit zu einem Botschafterrat zusammengeschlossen und helfen dem afghanischen Volk und dem Widerstand», sagt Andisha zu Blick.
Er sehe sich vor allem als Anwalt der Frauen und Mädchen, die unter den Taliban praktisch sämtliche Rechte verloren hätten. Um auf die schlimmen Verhältnisse hinzuweisen, plane er in Genf Veranstaltungen wie eine Foto- oder Kunstausstellung.
Genf sei für die Afghanen ein wichtiger Ort. «Genf ist der Hauptsitz der Menschenrechte», sagt Andisha. Die Afghanen fühlten sich hier wohler als etwa in New York, das für sie weniger einfach zu erreichen sei.
Botschaft geschrumpft
Von den Taliban habe man es nicht erwarten können, dass sie sich im Vergleich zu früher ändern würden. «Da waren viele zu optimistisch und naiv.» Was die Sache doppelt so schlimm mache, sei, dass sie sich nicht vom Terrorismus distanzierten, sondern sogar Terroristen noch Unterschlupf böten und mit ihnen zusammenarbeiteten.
Um zu sparen, hat er seine Botschaft von 18 auf sechs Mitarbeiter heruntergefahren, von denen einige mehrere Ämter ausüben oder nur in Teilzeit arbeiten. «Mein Chauffeur zum Beispiel ist auch als Reinigungskraft tätig.»
Büffeln an der Uni
Er selber befasst sich intensiv mit dem Schweizer Politsystem, das er gerne auf Afghanistan übertragen würde. Im vergangenen Jahr las er das Buch «Swiss Democracy», diesen Sommer belegt er am Institut für Föderalismus an der Uni Freiburg einen dreiwöchigen Kurs.
Seinen Job als Botschafter wolle er noch so lange weiterführen, wie es ihn brauche. Andisha: «Als Botschafter fühle ich mich dazu verpflichtet, jenen eine Stimme zu verleihen, denen man sie genommen hat. Und das mache ich von Genf aus.»