Vor dem einst meistgesuchten Boss der Bosse fürchtet sich nun niemand mehr. Matteo Messina Denaro (61) sitzt nach 30 Jahren im Untergrund endlich im Knast. Dort wird er auch bleiben. Zudem hat «Diabolik» oder «U Siccu» (zu Deutsch: «Der Magere»), wie Denaro auch genannt wird, Darmkrebs. Er scheint endgültig entmachtet.
«Doch wer glaubt, die Mafia sei besiegt, der irrt sich gewaltig», warnt Palermos zuständiger Staatsanwalt Maurizio De Lucia (61) gegenüber La Repubblica. «Im Gegensatz zur neapolitanischen Camorra, besteht die sizilianische Mafia aus einer Struktur mit nur einem Kopf.» Jetzt müsse die Cosa Nostra einen neuen Superboss finden. Der Mafia-Jäger verrät allerdings nicht, an wen er denkt. Das sei, so De Lucia weiter im Interview, wegen laufender Ermittlungen nicht möglich.
Italienische Medien präsentieren fünf Mafia-Kandidaten
Italienische Medien hingegen präsentieren bereits fünf Favoriten für den Mafia-Thron, auch als «Kuppel» bezeichnet. Da wäre Drogenbaron Stefano Fidanzati (70), «Don Tano» genannt. Er ist der kleine Bruder des einst mächtigen Mafiabosses Gaetano Fidanzati (1935–2013), der in den 80ern in Komplizenschaft mit dem sizilianischen Gangstersyndikat in New York einen grossen Heroin- und Kokainhandel aufbaute. Das internationale Business übernahm Stefano Fidanzati.
Mit 85 Jahren ist Settimo Mineo (85) der Senior unter den Anwärtern. Er war im Mai 2018 nach dem Tod des legendären Mafiabosses Salvatore «Toto» Riina (1935–2017) zu dessen Nachfolger ernannt worden. Sieben Monate später wurde er verhaftet und 2020 wegen seiner Führungsposition in der Cosa Nostra zu 16 Jahren Haft verurteilt. Im November 2022 wurde «Onkel Settimo» in letzter Instanz freigesprochen. Er stünde der Cosa Nostra wieder zur Verfügung.
Auch jüngere Mafiosi wollen auf den Thron der Cosa Nostra
Wie Matteo Messina Denaro, «Der Magere», ist auch Giovanni Motisi (64), mit dem Beinamen «Der Fette», seit Jahrzehnten auf der Flucht. Der Boss des gleichnamigen Clans wird seit 1998 wegen Mordes gesucht. Er war «Killer des Vertrauens» für Superboss Salvatore «Toto» Riina. Motisi steht auf der europäischen Fahndungsliste ganz oben.
Aber auch die junge Mafia hat Ambitionen auf den Posten des Ober-Paten. Sandro Capizzi (41) ist Sohn des Mafiabosses Benedetto Capizzi (78), der 2008 mit Gewalt versuchte, die Macht in der «Cosa Nostra» an sich zu reissen. Aus Furcht vor einem neuen Mafiakrieg schritt damals die sizilianische Justiz ein und liess Vater und Sohn verhaften. Der Junior, seit 2015 wieder auf freiem Fuss, strebt nun seinerseits die Kuppel an. Ehrgeiz zeigt offenbar auch Giuseppe Auteri (48), Spezialist für Schutzgelderpressung und Schatzmeister des reichsten Clans von Palermo. Auch «Das Tablett», wie er genannt wird, ist seit einem Jahr flüchtig – aber aus dem sizilianischen Untergrund heraus durchaus aktiv.