Rund 26 Stunden nach der Messerattacke von Solingen (D) stellte sich der mutmassliche Täter Issa al H.* einer Polizeistreife. «Ich bin der, den ihr sucht», soll er dabei gesagt haben. Seine Kleidung war schmutzig und blutverschmiert. Zuvor hatte er sich mehrere Stunden in einem Hinterhof versteckt.
Der 26-jährige Syrer beging offenbar einen entscheidenden Fehler, wie «Bild» berichtet. Nach dem Angriff, bei dem er drei Menschen tötete und mehrere verletzte, entledigte er sich seiner blutverschmierten Jacke – nahm dabei aber weder sein Portemonnaie noch seine Papiere heraus.
Syrer sollte nach Bulgarien abgeschoben werden
Wie «Focus» aus Sicherheitskreisen erfuhr, flüchtete al H. zunächst in seine Flüchtlingsunterkunft. Dort hielt er sich aber nicht lange auf. Wusste er, dass die Fahnder wegen seiner weggeworfenen Papiere bald auftauchen würden? Bei der Durchsuchung seines Zimmers fanden die Ermittler die Messerhülle der Tatwaffe. Diese hatte er gemäss «Bild» einfach aus einem Messerblock im Flüchtlingsheim genommen. Al H. stach damit «gezielt auf den Hals der Opfer», wie die Polizei an einer Pressekonferenz am Samstag mitteilt.
Al H. stammt aus der syrischen Stadt Drei al-Sor im Osten des Landes. Kurz nach seiner Einreise Ende Dezember 2022 stellte er einen Asylantrag in Deutschland, wie der «Spiegel» berichtet. Nach den Dublin-Regeln hätte der Mann aber in den Zuständigkeitsbereich von Bulgarien fallen müssen, weshalb die deutschen Behörden ein Übernahmeersuchen stellten. Doch al H. tauchte vor der Abschiebung unter. Eine Ausschreibung zur Festnahme unterblieb gemäss «Spiegel» wohl – offenbar, weil al H. als unauffällig galt und es an Abschiebehaftplätzen mangelt. Die Überstellungsfrist lief im August 2023 ab. Seither ist nun Deutschland für den Fall zuständig. Ende des vergangenen Jahres gewährten die Behörden dem Syrer subsidiären Schutz.
War nicht als Extremist bekannt
Die Terror-Miliz «Islamischer Staat» (IS) bekannte sich am Samstagabend zu dem Anschlag. Al H. soll ein Mitglied des Kalifats sein und aus Rache für «Muslime in Palästina» gehandelt haben. Das sage aber noch nichts über die wirklich tiefere Motivlage aus, sagt ein deutscher Kriminalist und Fallanalytiker gegenüber «Focus». Er vermutet, dass al H. als Einzeltäter gehandelt hat. «Sein Verhalten wirkt auf mich unorganisiert», sagt der Experte. Als Beispiele dafür nennt er die blutverschmierte Kleidung, die der Mann immer noch trug. Und dass er offenbar keine Vorbereitungen für die Zeit nach der Tat getroffen hatte.
Die deutsche Bundesanwaltschaft ermittelt nun unter anderem wegen Verdachts der IS-Mitgliedschaft und Mordes. Am Sonntag wurde al H. per Helikopter nach Karlsruhe geflogen, wo er einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt wurde. Dieser erliess einen Haftbefehl, al H. kommt nun in Untersuchungshaft. Der 26-jährige Syrer teile die Ideologie der Terrorvereinigung IS und habe sich ihr zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 23. August angeschlossen, heisst es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft.
Ob er als IS-Schläfer nach Deutschland geschickt wurde, müssen weitere Ermittlungen zeigen. Bisher war er den Behörden nicht als Extremist bekannt. Bei dem Messerangriff starben zwei Männer (†56 und †67) und eine Frau (†56). Acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer.
*Name bekannt