Auf einer Fährfahrt zwischen Schweden und Polen ereignete sich am Donnerstag vor einer Woche eine unfassbare Tragödie. Eine Polin (†36) schubste ihren Sohn (†7), der an einer Autismusspektrumstörung litt, samt Rollstuhl über Bord – und sprang hinterher. Etwa eine Stunde später wurden sie bei einem grossen Rettungseinsatz in internationalen Gewässern gefunden. Selbst Nato-Streitkräfte waren in die Suche involviert.
Doch die Polin und ihr Sohn sind später in einem schwedischen Spital verstorben. Die polnische Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen «Mordes an einem Kind und des Selbstmordes der Mutter».
Jetzt kommen neue Details ans Licht, wie die polnische Zeitung «Wyborcza» berichtet: Die verzweifelte Mutter war völlig überfordert. Und: Die Behörden hätten offenbar intensiv nach der Frau gesucht.
Monate vor der Tragödie habe die Frau mit ihrem schwer autistischen Sohn in der polnischen Stadt Sopot gelebt. Schon bald hätten mehrere Ämter festgestellt, dass die Frau auf psychologische Hilfe angewiesen sei, schreibt die Tageszeitung unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Die Mutter hätte den Behörden jedoch versichert, dass sie bereits «therapeutisch betreut» werde.
Familiengericht ordnete psychologische Hilfe an
Die Sprecherin der Stadtverwaltung von Sopot, wo Mutter und Sohn als Vorletztes gemeldet waren, sagte gegenüber «Wyborcza», dass ein Familiengericht im Februar 2023 die psychologische Hilfe sogar ausdrücklich angeordnet hatte. Besorgte Mitarbeiter aus dem spezialisierten Kindergarten des Sohnes hatten sich an den Sozialdienst der Stadt gewandt, weil sie eine Überforderung seitens der Mutter wahrgenommen hatten.
Die Sprecherin fügt jedoch an: «Wir betonen nachdrücklich, dass es in diesen wenigen Monaten nie einen Hinweis darauf gab, dass das Kind in irgendeiner Gefahr war.» Die Bindung zwischen Mutter und Sohn sei trotz der Schwierigkeiten sehr stark gewesen und zu Beginn habe es keinerlei Probleme gegeben.
«Teilweise war sie nicht einmal mehr irgendwo angemeldet»
Die deutsche «Bild» konnte mit einem Behörden-Mitarbeiter des Ortes Graudenz sprechen, wo Mutter und Kind als letztes gelebt haben. Dieser gibt an, dass die Frau immer wieder ihren Wohnsitz gewechselt habe. «Teilweise war sie nicht einmal mehr irgendwo angemeldet.» Die alleinerziehende Mutter habe sich immer weiter in sich zurückgezogen. «Wenn man die Zeit vor dem Unglück betrachtet, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass die Mutter zuerst untergetaucht sei und ganz bewusst einen Plan geschmiedet hatte, alles zu beenden.»
Die Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft Danzig sagt zu «Bild»: «Wir unternehmen alles, um herauszufinden, wie es zu den Umständen der Tat kommen konnte.» (ene)