Mitglieder verfolgen unterschiedliche Russland-Strategien
Nato ist innerlich zerrissen

Im Ringen um eine Deeskalation im Ukraine-Konflikt ist zunächst etwas gefragt: Geduld. Die Antworten von Nato und USA auf Russlands Forderungen liegen dem Kreml vor. Doch wie stark ist die Nato überhaupt?
Publiziert: 27.01.2022 um 19:22 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2022 um 16:52 Uhr
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Die Reaktionen von Nato und USA auf Russlands Forderungen liegen Präsident Putin vor.
Foto: keystone-sda.ch
Tobias Ochsenbein

Alle Blicke richten sich nach Moskau. Dort sind am Mittwoch nämlich die Reaktionen von USA und Nato auf die Forderungen der russischen Regierung im Konflikt um die Ukraine eingegangen. Von dort hiess es bloss: «Wir lesen. Studieren.»

Im Kern fordert Russland sogenannte Sicherheitsgarantien – und kritisiert die Osterweiterung der Nato. Das Land stellt sich gegen einen möglichen Beitritt der Ukraine zum Bündnis.

Wie stark ist die Nato wirklich?

Weder die Nato noch die US-Regierung veröffentlichten ihre an Moskau übermittelten Schriftstücke. Der Tenor in den Antworten aber dürfte sein: keine verbindlichen Zusagen für ein Ende der Nato-Erweiterungen!

Die US-Regierung erwartet gemäss Aussagen von US-Vize-Aussenministerin Wendy Sherman (72) einen baldigen Angriff Putins auf die Ukraine: «Alles deutet darauf hin, dass er zu einem Zeitpunkt vielleicht zwischen jetzt und Mitte Februar militärische Gewalt anwenden wird.» Die Nato versucht aktuell, zusammen mit den USA, im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Dabei stellt sich auch die Frage: Wie stark ist die Nato überhaupt?

«Die Nato hat nach aussen hin keine Meinungsverschiedenheiten darüber erkennen lassen, wie sie auf die Forderungen Russlands reagieren soll», sagt Henrik Larsen vom Center for Security Studies (CSS) an der ETH Zürich zu Blick. Sie habe sich an ihre bisherige Bündnispolitik gehalten, was von ihrer Geschlossenheit zeuge – gerade während der grössten europäischen Sicherheitskrisen seit dem Ende des Kalten Krieges.

Frankreich und Deutschland kritisch

Und doch: Kroatiens Präsident Zoran Milanovic (55) hat einen Rückzug seines Landes aus der Nato angekündigt, sollte es in der Ukraine zu einem Krieg kommen. In Frankreich und Deutschland gibt es zudem Stimmen, die das Bündnis für veraltet halten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (44) hatte den Nordatlantikpakt vor mehr als zwei Jahren als «hirntot» bezeichnet. Und: Er bastelt an einem Plan einer «neuen europäischen Sicherheitsordnung» – ohne klar zu sagen, welche Rolle darin die Nato hat.

In Deutschland sprach Bundeskanzler Olaf Scholz (63) von einer «neuen Ostpolitik», mit der er Russland besänftigen will. Damit weckt er Erinnerungen an die Entspannungspolitik unter dem 1969 gewählten ersten SPD-Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt.

Henrik Larsen sagt: «Frankreich und Deutschland legen mehr Wert auf den Dialog mit Russland als die meisten anderen Nato-Mitglieder. Aber ich sehe in der aktuellen Krise keinen grösseren Bruch in der Nato-Politik der beiden Länder.» Allerdings bleibe abzuwarten, wie Deutschland bezüglich europäischer Sanktionen gegen Russland reagiere, sollte das Land die Ukraine angreifen.

Nato für ehemalige Ostblock-Länder zentral

Dann gibt es aber im westlichen Verteidigungsbündnis die Staaten des ehemaligen Ostblocks: Rumänien, Litauen, Polen oder Tschechien. Gerade für sie ist die Nato laut Einschätzung von Experten zentral. Denn im Hinblick auf die Spaltung Europas, die der russische Präsident Wladimir Putin (69) gerade vorantreibt, erscheint die Nato-Erweiterung in einem neuen Licht.

Und auch Schweden und Finnland nähern sich nun aufgrund von Putins Drohgebärden der Nato an. Etwas, das aufgrund ihrer Neutralität im Kalten Krieg nicht denkbar gewesen wäre.

Sollte es tatsächlich zum Krieg in der Ukraine kommen, wird die Nato gefragter denn je sein. Denn nur das Bündnis wird die kollektive Sicherheit in Europa aufrechterhalten können.

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