«Hallo Betrüger, ich bin euer schlimmster Albtraum»
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KI-Grosi von O2:«Hallo Betrüger, ich bin euer schlimmster Albtraum»

Mit endlosen Gesprächen
KI-Grosi narrt Telefonbetrüger – bald auch in der Schweiz?

Der britische Telekommunikationsanbieter O2 setzt KI gegen Telefonbetrug ein: «Daisy» spielt dabei eine ahnungslose Seniorin und narrt Kriminelle mit endlosen Gesprächen. Ein Modell auch für Schweizer Mobilfunkfirmen?
Publiziert: 20.11.2024 um 20:20 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2024 um 12:29 Uhr
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Dieses KI-Grosi ist nicht echt, hat aber echt viel auf dem Kasten.
Foto: Youtube

Die Zahl der betrügerischen Telefonanrufe in der Schweiz ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Die Betrüger werden dabei immer skrupelloser und ihre Methoden immer raffinierter. Immer wieder veröffentlichen die Behörden Warnungen zu neuen Betrugsmaschen.

Mit Daisy, einer menschenähnlichen künstliche Intelligenz (KI), hat der britische Mobilfunkanbieter O2 jetzt den Alptraum eines jeden Telefonbetrügers vorgestellt. Daisy beantwortet in Echtzeit Anrufe von Betrügern und verschwendet so deren Zeit. Das KI-Grosi hält die Betrüger so lange wie möglich in der Leitung und verhindert, dass sie echte Menschen belästigen oder um ihr Geld bringen. Daisy spielt eine herzensgute, ahnungslose Seniorin, die den Kriminellen vorgaukelt, ein leichtes Opfer zu sein. Tatsächlich hält Daisy sie jedoch zum Narren, indem sie ausführlich von ihrer Familie erzählt, über das Stricken plaudert oder erfundene Bankangaben macht.

Die Gespräche können bis zu 40 Minuten dauern, bevor die Betrüger entnervt auflegen. «Wie die Zeit vergeht», sagt Daisy dann. 

Einblick von Steffi Buchli: Künstliche Intelligenz beim Blick

Anders als die Schwindler wird Daisy nie müde und kann gleichzeitig mit beliebig vielen Betrügern sprechen. «Ich habe alle Zeit der Welt», sagt sie in einem Video von O2, das zeigt, wie Daisy auf eine gefälschte Web-Adresse hereinfällt und mehrfach nachfragt, ob wirklich drei Ws und ein Punkt eingegeben werden müssen.

Daisy hat gleich mehrere Vorteile

Das Ziel der KI ist es, das Gespräch durch unzählige Rückfragen in die Länge zu ziehen. Seit einigen Wochen ist Daisy im Einsatz und nimmt Anrufe 24 Stunden am Tag vollständig autonom entgegen. Um von Betrügern angerufen zu werden, werden zugehörige Telefonnummern auf Listen mit angeblich lohnenswerten Zielen gesetzt.

Laut dem Techportal «Golem» ist Daisy (noch) nicht für O2-Kunden und deren persönlichen Rufnummern vorgesehen. O2 erklärt, dass Daisy die Telefonbetrüger nicht nur mit ihren eigenen Waffen schlägt, sondern auch hilft, die gängigen Taktiken der Betrüger aufzudecken. Dies wiederum ermöglicht es dem Mobilfunkanbieter, seine Kunden besser vor neuen Maschen zu warnen.

Die KI wurde mithilfe von Jim Browning trainiert, einem nordirischen Software-Entwickler und Scam-Jäger, der auf Youtube für den Kampf gegen Telefonbetrüger bekannt ist. Browning spürt schon seit Jahren Betrüger auf – mit dem Ziel, sie zu identifizieren. 2020 sorgte er für Schlagzeilen, als er ein indisches Callcenter hackte, das sich auf betrügerische Anrufe spezialisiert hatte. Er hatte sich in das Überwachungssystem der kriminellen Gruppe gehackt und konnte sie so bei ihrem kriminellen Treiben beobachten.

Was machen Schweizer Anbieter?

Eine KI wie Daisy haben Schweizer Mobilfunkanbieter noch nicht im Einsatz, aber man verfolgt die Entwicklung interessiert, wie Swisscom und Sunrise auf Anfrage mitteilen. Bei Sunrise wartet man mit der Weiterleitung an einen Chatbot noch ab. Denn: Aktuell sind zu viele regulatorische und technische Fragen offen. 

«Um solche Anrufe wirksamer zu unterbinden, ohne negativen Einfluss auf legitime, korrekte Anrufe, braucht es eine gemeinsame Lösung mit allen Schweizer Anbietern», teilt Sunrise-Sprecher Willy-Andreas Heckmann mit. «Sunrise schützt ihre Kundinnen und Kunden mit einem Anruffilter, der für Neukundinnen und -kunden automatisch aktiviert ist und von den bestehenden Kundinnen und Kunden jederzeit aktiviert oder deaktiviert werden kann», erläutert er. Ist der Filter aktiviert, werden unerwünschte Scam-Anrufe weitestgehend zuverlässig blockiert.

«Wir setzen auf Antispoofingmassnahmen direkt bei uns im Netz und arbeiten eng mit den zuständigen Behörden zusammen», erklärt Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk. Spoofing bezeichnet verschiedene Täuschungsmethoden von Cyberkriminellen, bei denen diese eine vertrauenswürdige Identität vortäuschen. «Bei einem konkreten Betrugsversuch empfehlen wir eine Anzeige bei der Polizei», ergänzt sie. Sunrise-Kunden sollen sich laut Heckmann ebenfalls bei der Polizei melden und die Betrugsabteilung kontaktieren.

Salt wiederum teilt auf Anfrage mit: «Unseren Kunden, die belästigt werden, raten wir, die betroffenen Rufnummern auf ihrem Telefon zu sperren. Sie können auch unsere Kundendienstnummer anrufen und uns solche Nummern melden, die wir nach Überprüfung sperren.»

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