Am 1. Oktober feuerte der Iran in zwei Wellen rund 200 ballistische Raketen auf Israel ab. Das war bereits der zweite Angriff im laufenden Jahr. Die Raketen forderten die israelische Luftabwehr stark heraus, haben aber offenbar keine grösseren Schäden verursacht. Premierminister Benjamin Netanyahu (74) erklärte, dass der Iran einen «grossen Fehler» begangen habe, und Konsequenzen werde tragen müssen. Dass Israel zurückschlagen wird, scheint klar. Blick zeigt auf, was bisher zum Umfang und zu den möglichen Zielen bekannt ist.
Bereits am 13. April hatte der Iran Israel direkt angegriffen – mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen. Als Vergeltung führte Israel fünf Tage später, am 18. April, einen Gegenschlag auf den Iran durch. Die Luftangriffe zielten auf eine Radaranlage auf einem Luftwaffenstützpunkt bei Isfahan im Zentraliran.
«Überraschende Angriffsfähigkeiten»
Seit dem zweiten Angriff auf Israel am 1. Oktober sind inzwischen sieben Tage vergangen. Der Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Herzi Halevi (56), versprach kurz nach dem Angriff, dass die Antwort für Teheran ein Schock sein werde. «Wir werden entscheiden, wann wir den Preis dafür fordern und unsere präzisen und überraschenden Angriffsfähigkeiten unter Beweis stellen», sagte er.
Es wird erwartet, dass Israels militärische Antwort härter ausfallen wird als im April. Als mögliche Ziele gelten die iranische Militärinfrastruktur, Anlagen zur Ölproduktion oder Einrichtungen des Atomprogramms. Ebenfalls möglich wären Cyberangriffe oder gezielte Tötungen im Iran.
Biden gegen Angriff auf Atomanlagen
US-Präsident Joe Biden (81) sagte vergangene Woche, er sei dagegen, dass Israel die iranischen Atomanlagen angreife. Jerusalem habe das Recht zu reagieren, solle dies aber «verhältnismässig» tun.
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Auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (71) hat seinem israelischen Amtskollegen Yoav Gallant (65) gegenüber deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten nicht jede Reaktion gutheissen. Die USA fordern, dass Israel Vergeltungsmassnahmen vermeide, die zu einer neuen Eskalation durch die Iraner führen würden. Gallant soll am Mittwoch im Pentagon mit Austin zusammentreffen.
Gemäss Quellen aus der US-Verwaltung, so die «New York Times», sei es wahrscheinlich, dass sich Israels erste Vergeltungsmassnahmen gegen iranische Militärbasen oder Geheimdiensteinrichtungen konzentrieren werden. Zumindest anfänglich scheine es unwahrscheinlich, dass Israel die «nuklearen Kronjuwelen» des Iran angreifen werde. Nach eingehender Diskussion seien diese Ziele für später reserviert worden, so die Zeitung – falls die Iraner mit eigenen Gegenschlägen weiter eskalierten.
«Atomprogramm jetzt ausschalten»
Gleichwohl wird in Israel der Ruf laut, die Gelegenheit zu nutzen. «Manchmal klopft die Geschichte an deine Tür und du musst den Moment ergreifen», schrieb etwa der ehemalige Premierminister Naftali Bennett (52) nach dem Angriff auf X. «Wir müssen das iranische Atomprogramm jetzt ausschalten. Wenn wir es jetzt nicht tun, sehe ich nicht, dass es jemals passieren wird.»
In den USA äusserte sich Donald Trump (78) ähnlich: Israel solle seinen Angriff auf nukleare Ziele richten, sagte er an einer Wahlkampfveranstaltung in North Carolina. «Das ist das Zeug, das du treffen willst.»
Klar ist jedoch: Die Planung des Gegenschlags ist eine weitere Belastung für das Verhältnis zwischen der Biden-Administration und Israels Regierung. Wie die Plattform «Axios» am Dienstag berichtete, sei die amerikanische Regierung «zunehmend misstrauisch» gegenüber Israels Regierung – auch weil sie zuletzt mehrmals von Militär- und Geheimdienstoperationen überrascht worden sei.