Mike Pence (61) steckt in der grössten Klemme seines Lebens. Er, der Donald Trump (74) vier Jahre lang loyal zur Seite stand, muss seinem Chef heute den definitiven Kick geben. Als US-Vizepräsident wird Pence nämlich die gemeinsame Sitzung von Senat und Abgeordnetenhaus – den Kongress – leiten und Trumps Widersacher Joe Biden (78) zum neuen Präsidenten verkünden müssen.
Ab 19 Uhr, Schweizer Zeit, entscheiden diese beiden Kammern definitiv über das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl vom 3. November. Konkret geht es um die Auszählung und Bestätigung der 538 Wahlleute-Stimmen. Biden verbuchte 306 Stimmen, Trump nur 232.
Trump versuchte alles
Trump hat alles unternommen, um seinen Vize für diese Debatte zu beeinflussen und in letzter Minute aus seiner Wahlniederlage einen Sieg zu erzwingen.
Er umgarnte ihn mit Worten wie: «Ich hoffe, dass sich unser grossartiger Vizepräsident für uns einsetzt.»
Er drohte ihm: «Er ist ein grossartiger Kerl. Wenn er sich nicht einsetzt, werde ich ihn natürlich nicht mehr ganz so sehr mögen.»
Er klagte ihn an: Einige Republikaner versuchten durch eine skurrile Klage Pence dazu zu ermächtigen, dass er selber Ergebnisse aus den Bundesstaaten für nichtig erklären kann. Der bedrängte Pence liess beim zuständigen Richter beantragen, die Klage abzuweisen mit der Begründung, sie richte sich gegen den Falschen. Der Richter entschied genau in diesem Sinne und schmetterte das Begehren der Republikaner ab.
Mehr zu Trumps Untergang
Auch wenn Pence seinem Chef helfen wollte: Ihm sind die Hände gebunden, weil er sich an die Verfassung und den vorgegebenen Ablauf der Auszählung halten muss. Offenbar sieht das Trump nicht ein.
Störaktion im Kongress
Dafür werden sich in der Debatte republikanische Abgeordnete für Trump ins Zeug legen. Eine Gruppe Abgeordneter aus dem Repräsentantenhaus und ein Dutzend republikanische Senatoren haben angekündigt, Einspruch gegen Resultate einzelner Staaten einzulegen.
Damit können sie erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Unter den Republikanern ist das Vorhaben hochumstritten.
Die Störaktion wird an Joe Bidens Sieg aber kaum etwas ändern. Sie dürfte das Prozedere jedoch in die Länge ziehen.
Pence selber will sich nach dem Kongress offenbar möglichst schnell aus dem Staub machen. Im Dezember hatte «Politico» jedenfalls berichtet, dass Pence am 6. Januar zu einer einwöchigen Reise nach Bahrain, Israel und Polen aufbrechen wolle. Es wäre die beste Gelegenheit, Trump in dessen letzten Tagen als Präsident aus dem Weg zu gehen.