Exakt zwei Wochen vor Joe Bidens (78) Amtseinführung zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika kommt es in Washington am heutigen Mittwoch zum grossen Polit-Showdown. Der 6. Januar ist der Tag, an dem der gewählte US-Kongress zusammentritt, um das Wahlergebnis der 538 Wahlleute offiziell zu bestätigen. Was normalerweise reine Formsache ist, verkommt in diesem Jahr zur allerletzten Chance von Donald Trump (74).
Der Noch-Präsident kämpft nämlich weiterhin gegen seine Wahlniederlage an – obwohl er in den vergangenen Monaten keinen einzigen stichhaltigen Beweis für einen angeblichen Wahlbetrug geliefert hat. Mehr als 60 Klagen des Trump-Lagers sind bislang von Gerichten abgeschmettert worden – auch vom Obersten US-Gericht, dem Supreme Court.
Für den Tag der letzten Chance hat Trump seine Anhänger zu einer Gross-Demonstration nach Washington gerufen. Zehntausende sind schon am Dienstag eingetroffen. Die Hauptstadt bereitet sich auf das Schlimmste vor: Geschäfte verbarrikadieren sich, die Nationalgarde steht bereit.
Der heutige Mittwoch wird also der wohl letzte verrückte Tag in Donald Trumps Präsidentschaft. BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen – die allerwichtigste zuerst:
Wer hat die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen?
Der Demokrat Joe Biden. Um die Wahl am 3. November zu gewinnen, musste einer der Kandidaten die magische Zahl von 270 Elektorenstimmen erreichen. Biden vereinte 306 Elektoren auf sich, Trump kam auf 232. Diese Elektoren, auch Wahlleute genannt, haben exakt dieses Ergebnis Mitte Dezember in Washington bestätigt. Alle grossen US-Medien, darunter der konservative Sender Fox News, sowie mittlerweile die republikanische Parteiführung um Mitch McConnell (78), erkennen dieses Endresultat an.
Übrigens: Biden gewann auch in absoluten Zahlen komfortabel. 81,2 Millionen Amerikaner haben den Demokraten gewählt, 74,2 Millionen den Republikaner.
Worum geht es denn heute Mittwoch noch?
Das Repräsentantenhaus und der Senat kommen zusammen, um die Stimmen aus den Bundesstaaten zu verlesen und das Ergebnis offiziell zu verkünden. Erst dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Das ist normalerweise eine rein formale Prozedur. Weil sich Trump aber weiterhin gegen seine Niederlage sträubt, kommt der heutige Mittwoch einer allerletzten Chance gleich.
Was kann Trump heute denn konkret tun?
Nichts – ausser zuschauen und vielleicht twittern. Aber seine Parteikollegen können bei der Verlesung Einspruch einlegen. Und einige prominente Republikaner, darunter Ted Cruz (50), haben Einsprachen bei den hart umkämpften Bundesstaaten angekündigt. Laut Gesetz braucht es mindestens einen Abgeordneten und einen Senator, damit eine Beschwerde angehört wird. Dies dürfte in Georgia, Pennsylvania und Arizona der Fall sein. Möglich, dass Einsprachen in weiteren Bundesstaaten dazukommen.
Was passiert bei einem Einspruch?
Das Repräsentantenhaus und der Senat müssen sich zu einer Beratung von maximal zwei Stunden zurückziehen. Dann wird in beiden Kammern abgestimmt, ob der Beschwerde Folge geleistet wird. Eine einfache Mehrheit genügt, um die Einsprache an- oder abzulehnen.
Gab es in der Vergangenheit Einsprachen?
Zu solchen Protestaktionen kam es nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes des US-Kongresses seit 1887 erst zweimal: 1969 und 2005. 2005 wurde der Einspruch einer demokratischen Abgeordneten von einer demokratischen Senatorin unterstützt. Die Aktion verzögerte lediglich die traditionelle Prozedur der Verlesung der Ergebnisse.
Haben die Republikaner – und somit Trump – eine reelle Chance mit den Einsprachen?
Nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur eine einzige Einsprache durch beide Kammern durchkommt, kann man auf Nullkommanull (0,0) beziffern. Erstens haben die Demokraten mindestens im Repräsentantenhaus eine Mehrheit. Und zweitens haben die allermeisten Republikaner bereits angekündigt, Einsprachen nicht zu unterstützen. Letztlich wird also lediglich der Prozess in die Länge gezogen werden.
Kann Vizepräsident Mike Pence etwas bewirken?
Wenn es nach Donald Trump geht, dann ja! Er forderte seinen Vize am Dienstag via Twitter auf, am heutigen Mittwoch einseitig Wahlstimmen zu streichen. Pence habe diese «Macht», so Trump.
Aber ein Blick in die US-Verfassung zeigt: Mike Pence kommt eine rein formale Rolle zu. Er kann die Stimmen lediglich laut verlesen. Nicht mehr, nicht weniger.
Geht Pence «off script»?
Der Vizepräsident denkt offenbar nicht einmal daran. Laut «CNN» habe er seinen Chef am Dienstag aufgeklärt, dass er laut Verfassung keinen Spielraum habe. Doch das Team um Joe Biden bereitet sich gemäss «New York Times» auf alle möglichen Szenarien vor. Man sei demnach bereit, jeglichen Gesetzesbruch von Abgeordneten, Senatoren oder des Vizepräsidenten vor Gericht anzufechten.
Und was ist mit dieser Trump-Demonstration in Washington?
Diese soll nach Angaben des Weissen Hauses riesig werden. Von Millionen Trump-Anhängern ist die Rede. Auch die Behörden gehen von einer grossen Beteiligung aus – sprechen aber eher von Zehn- oder Hunderttausenden Menschen. Trump nennt die Veranstaltung die «Rettet-Amerika-Demonstration» und plant eine Ansprache um 11 Uhr Ortszeit (17 Uhr MESZ).
Kommt es zu Ausschreitungen?
Washington rüstet sich für Krawalle. Geschäfte wurden verbarrikadiert, die Nationalgarde ist aufgeboten. Trump selbst hat im Dezember einen «wilden» Tag für Washington vorhergesagt. Offenbar sind auch radikale Gruppierungen angereist. So ist am Montag der Anführer der rechten Gruppierung Proud Boys verhaftet worden. Henry «Enrique» Tarrio (36) wird vorgeworfen, eines von einer Kirche heruntergerissenes Banner der Bewegung Black Lives Matter verbrannt zu haben. Dies könnte als mögliches Hassverbrechen eingestuft werden.