Rabia
«Ich war immer Klassenbeste. Doch jetzt gibt es keine Klasse mehr. Keinen Unterricht. Ich lerne alleine für mich. So gut es geht. Mein Bruder hilft mir, gibt mir Mathe-Nachhhilfe, wenn er von der Schule nach Hause kommt. Anderes lerne ich über Onlinekurse, auch wenn das wegen der vielen Stromausfälle schwierig ist. Dieses Wissen gebe ich wiederum weiter. Einige von uns Mädchen haben Chatgruppen gegründet. Wir lösen gemeinsam Aufgaben, und ein ehemaliger Lehrer bewertet sie aus der Ferne. Das gibt uns Hoffnung. Wir sind nicht isoliert.»
Arezo
«Ich wollte Zahnärztin werden. Das war mein grosser Traum. Doch jetzt sitze ich zu Hause. Seit mehr als 540 Tagen war ich nicht mehr in der Schule. Kochen, Wäschemachen, Putzen – von morgens bis abends kümmere ich mich nur um den Haushalt. Die Situation macht mich krank. Ich habe Panikattacken. Die Antidepressiva helfen nur bedingt. Sie bringen nicht zurück, was einst mein Antrieb war: eine Perspektive. Das Einzige, was mir von der Schule bleibt, sind meine alten Bücher. Manchmal schlage ich sie auf. Doch sie sind mir fremd. Gehören zu einem Leben, das nach und nach verblasst.»
Mursal
«Die ersten Wochen waren anstrengend und grausam. Ich hatte keine Hoffnung. Aber dann sagte ich mir: Mursal, du kannst nicht einfach aufgeben. Ich fing an, neue Dinge zu lernen. Schaute mir Onlinevideos an, lernte so, Gitarre zu spielen. Und ich zeichne viel. Meine Kunst will ich nutzen, um über das Leben der Menschen hier zu berichten. Ich möchte den Mut der afghanischen Frauen zeigen, ihre Unverwüstlichkeit. Meine Sorgen aber verscheucht das nicht. Ich will bildende Kunst studieren. Doch wenn ich nie mehr in die Schule gehen kann … Ich mag es mir nicht vorstellen. Die Vorstellung zerstört mich.»