Kritik an Putins «General Armageddon»
«Wofür vergiessen wir unser Blut?»

Wladimir Putin hat Sergei Surowikin als obersten General für den Ukraine-Krieg ernannt. Seither gab es mehrere Tiefschläge für das russische Militär. Der Druck auf den General steigt.
Publiziert: 22.11.2022 um 03:22 Uhr
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Aktualisiert: 22.11.2022 um 08:20 Uhr
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Sergei Surowikin soll Russlands Truppen durch den Krieg in der Ukraine leiten.
Foto: keystone-sda.ch

Seit Mitte Oktober führt Sergei Surowikin (56) die russischen Truppen in der Ukraine an. Bekannt ist er als Wladimir Putins «General Armageddon». Er versprach im Oktober ein hohes Angriffstempo und ein «Zermalmen des Feindes».

Russland wirft zwar massiv Bomben auf die Ukraine ab, muss sich jedoch an einigen Stellen zurückziehen. Zuletzt in der strategisch wichtigen Grossstadt Cherson. In Russland hagelt es nun Kritik gegen Surowikin persönlich.

Vater von getöteter Darya Dugina gegen Surowikin

So äussert sich der kremlnahe Ideologe Alexander Dugin (60) deutlich gegen die Entscheidungen des Generals. «Die Grenze ist erreicht», sagt Dugin zum Online-Nachrichtenportal «Tsargrad». Er erklärt, Cherson sei das letzte Stück ukrainischen Territoriums, das Russland aufgeben könne.

Dugin, dessen Tochter Darya (†29) im August ermordet worden ist, was Russland als Attentat seitens der Ukraine wertet, erhöht so den Druck auf Surowikin. Der General wird von einigen auch aufgefordert, die angekündigte Bombardierungskampagne gegen die ukrainische Energieinfrastruktur noch weiter zu verstärken.

So sagte auch Wladimir Solowjow (59), einer der bekanntesten Propagandisten, laut Reuters letzte Woche im TV: «Ich appelliere an den Helden der russischen Armee, General Surowikin: Genosse Armeegeneral, ich bitte Sie, die vollständige Zerstörung der Energieinfrastruktur der ukrainischen Nazi-Junta zu vollenden.»

«Clownerei» der Politiker

Auch andere Kommentatoren des staatlichen Fernsehens fangen an, die Strategien zu hinterfragen. So sagt Maxim Yusin, Politik-Kommentator der Zeitung «Kommersant», in einer Talkshow, den Russen werde nicht die Wahrheit über den Krieg erzählt.

Er beschwert sich darüber, dass Kremlpolitiker das russische Militär unter Surowikin stärker darstellten, als es in Wirklichkeit sei.

Yusin sagt: «Selbst jetzt, vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen, sagen Leute: ‹Wir werden die polnische Grenze erreichen. Wir werden Berlin erreichen, den Ärmelkanal, Lissabon.› Und jetzt, in der ganzen Welt und auch in unserem Land, sehen die Menschen, die das sagen, wie Clowns aus. Diese Clownerei ist einfach unanständig.»

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«Wofür vergiessen wir unser Blut?»

Auch der russische Militärblogger Vladlen Tatarsky hat sich über den Rückzug aus Cherson aufgeregt. Ihm folgen mehr als eine halbe Million beim Nachrichtendienst Telegram. Tatarsky empört sich darüber, dass der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) kurz nach dem Rückzug durch Cherson laufen konnte.

Er fragt: «Wofür vergiessen wir unser Blut? Warum kann Selenski in aller Ruhe nach Cherson kommen?» Er ist der Meinung, dass man entweder «einen ausgewachsenen Krieg» brauche «oder es wird nichts funktionieren».

Margarita Simonyan (42), die Chefredaktorin des russischen Senders RT, wendet sich zahmer an Surowikin.: «Wir warten auf Ihre brillanten Ergebnisse und beten für Sie, ich bete jeden Tag für Sie.» Sie wolle, dass der General den «Unsinn» von Kritikern ignoriere. (euc)

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