Am heutigen 9. Mai begeht Russland den Tag des Sieges – des Triumphs über Nazideutschland. Russland feiert den Tag mit Hunderten von Anlässen und Dutzenden von Militärparaden in Städten des Riesenreichs, das sich über 11 Zeitzonen erstreckt.
Die Augen der Welt sind heute auf Russlands Staatschef Wladimir Putin (69) gerichtet, der sich am heutigen 77. Siegestag auch persönlich feiern lassen will. Laut einer Umfrage in der russischen Bevölkerung schwindet im Volk zwar der Rückhalt für seinen Führer und den Krieg. Auch sind die Ergebnisse russischer Meinungsforschung laut Experten mit Vorsicht zu geniessen. Für Bürger kann es gefährlich sein, sich kritisch zu äussern.
Eine solide Mehrheit der Bevölkerung scheint dennoch weiterhin stramm hinter Putin und dem Regierungskurs zu stehen. Wie Putin erachten auch die meisten Russen die Ukraine als Teil Russlands.
Wohl keine Kriegserklärung am 9. Mai
Putin hat der Ukraine noch immer nicht offiziell den Krieg erklärt. Er erachtet das Land als Teil des alten Sowjetreichs, demnach als innenpolitisches Problem – in einer Weise, wie China Taiwan als abtrünnige Nation erachtet, die früher oder später wieder ins Mutterreich einverleibt werden soll.
Putin hat deutlich gemacht, dass die Ukraine seiner Meinung nach die Ukraine keinen historischen Anspruch auf einen unabhängigen Staat hat. «Die moderne Ukraine wurde vollständig von Russland geschaffen», erklärte Putin in einer Rede an die Nation drei Tage vor Kriegsbeginn.
Westliche Beobachter spekulierten im Vorfeld des Siegestages noch, dass Putin am 9. Mai der Ukraine offiziell den Krieg erklären könnte. CNN berichtete unter Berufung auf informierte amerikanische und westeuropäische Quellen, dass Putin selbst eine Generalmobilmachung in Russland ausrufen werde. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow (54) dementierte beide Spekulationen: «Das ist nicht wahr, das ist Unsinn», zitierte ihn vergangene Woche die «Prawda», eine der ältesten und grössten russischen Tageszeitungen.
«Sehr wichtige Erklärung»
Doch auch Russen warten gespannt darauf, was Putin an diesem wichtigen Feiertag sagen wird. Die Augen der Welt sind auf ihr Land und Putin gerichtet. Auch frühere russische Staatschefs haben das wichtige Datum vom 9. Mai genutzt, um wegweisende Ankündigungen zu machen. Beobachtern zufolge dürfte Putin den Siegestag nutzen, um den nächsten Schritt oder die nächste Stufe im Ukraine-Konflikt zu markieren.
«Am 9. Mai wird Putin eine sehr wichtige Erklärung abgeben, die die ganze Welt überraschen wird, aber nicht so, wie es die USA erwarten», so der russische Politikwissenschaftler Marat Bashirow (58) in der «Prawda»,
Russische Landung in Odessa?
Russische Medien spekulieren, dass Putin am 9. Mai die Landung seiner Truppen in Odessa befehligen könnte, so die «Prawda». In der wichtigen südlichen Hafenstadt der Ukraine gelte seit 22 Uhr am 8. Mai bis am 10. Mai um 5 Uhr in der Früh eine Ausgangssperre. Am 9. Mai fahren auch keine Züge und Busse.
Auch Kiew wappnet sich. Bürgermeister Vitali Klitschko (49) warnte Bürger, dass auch die Hauptstadt am 9. Mai Ziel von russischen Angriffen sein könnte. «Wir können die Sicherheit nicht garantieren», sagte Klitschko dem ukrainischen Radiosender NV.
Parade von ukrainischen Kriegsgefangenen?
Russische Regierungskreise wiesen im Vorfeld des Siegestages dagegen Spekulationen westlicher Medien zurück, dass der Kreml bei einer Militärparade auf dem Roten Platz ukrainische Kriegsgefangene zur Schau zur Schau stellen werde. Dies, so schreibt die «Prawda» weiter, wäre höchstens in Mariupol oder Donzek «sinnvoll», aber nicht in Moskau. Da der russische Sieg über die Ukraine noch ausstehe.
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow seinerseits stellte im Vorfeld klar, dass nichts an den 9. Mai gebunden sei, alles gehe wie gewohnt «nach Plan» weiter: «Unser Militär wird seine Aktionen nicht künstlich an irgendein Datum anpassen, auch nicht an den Tag des Sieges», so Lawrow laut «Prawda».
Siegesparade in Moskau
Was Putin am 9. Mai tun wird: Der Welt Russlands militärische Stärke demonstrieren. Putins dürfte mit einer gewaltigen Militärmacht protzen wollen, darunter Russlands neuesten Panzern und Interkontinentalraketen, die über die geschichtsträchtigen Pflastersteine auf dem Roten Platz rollen. Der Luftteil der Parade wird Berichten zufolge von Tu-160-Überschalljägern und strategischen Bombern dominiert.
Erstmals seit 12 Jahren wird wieder eine Il-80 über den Kreml fliegen. Dieser Luftkommandoposten wird als «Doomsday»-Flugzeug bezeichnet, Nato nennt die Maschine «Maxdome». Im Falle eines bewaffneten Konflikts mit dem Einsatz von Atomwaffen dient die Ilyushin als mobiles Kontrollzentrum für den Präsidenten der Russischen Föderation.