Auf einen Blick
- Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah wurde in Beirut getötet
- Israel hatte über Jahre hinweg die Hisbollah und ihre Kommunikation infiltriert
- Den grössten Durchbruch konnte Israel 2012 verbuchen
Schwere Explosionen erschüttern am Freitag die libanesische Hauptstadt Beirut. Sechs Gebäude fallen in sich zusammen, als die israelische Armee nach eigenen Angaben das unterirdische Hauptquartier von Hassan Nasrallah (†64) angreift, den Hisbollah-Anführer tötet und der Schiitenmiliz damit einen schweren Schlag versetzt.
Bereits im Krieg mit der Hisbollah im Jahr 2006 versuchte Israel, Nasrallah dreimal zu töten – und scheiterte. Danach investierte man viel, um die Kommunikation der Gruppierung abzufangen und die Anführer in einem Schattenkrieg aufzuspüren. Der jüngste, erfolgreiche Attentatsversuch ist laut israelischen und anderen ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern auf eine Neuausrichtung der Geheimdienststrategien zurückzuführen, die sich insbesondere auf die gesamte Infrastruktur der Hisbollah konzentriert.
Israel änderte Sicht auf die Hisbollah
Was sich geändert hat, so aktuelle und ehemalige Beamte, ist die Tiefe und Qualität der
Geheimdienstinformationen, auf die sich Israel in den letzten zwei Monaten stützen konnte, wie die «Financial Times» schreibt. In den letzten knapp zwei Jahrzehnten hat die Einheit 8200 der israelischen Streitkräfte, die für die Fernmelde- und elektronische Aufklärung zuständig ist, gemeinsam mit dem militärischen Nachrichtendienst Aman riesige Datenmengen gesammelt. Israel änderte seine Sicht auf die Hisbollah, weg von einer Guerilla-Organisation hin zu einer komplexen «Terrorarmee», wie Miri Eisin, eine ehemalige israelische Geheimdienstoffizierin, erklärt.
Die grösste und beste Gelegenheit, um tief in die Strukturen der Terrormiliz einzudringen, ergab sich für Israel dann im Jahr 2012, als Hisbollah-Kämpfer nach Syrien gingen, um Baschar al-Assad bei der Niederschlagung eines bewaffneten Aufstands zu helfen. Wie ehemalige israelische Geheimdienstmitarbeiter und auch libanesische Politiker gegenüber der «Financial Times» sagen, förderte die Schlacht in Syrien eine Fülle von Informationen der sonst so verschwiegenen Gruppierung zutage.
«Das schwächte ihre Kontrollmechanismen»
Einerseits veröffentlichte die Hisbollah ständig Informationen über ihre getöteten Kämpfer, die auch persönliche Daten enthielten. Andererseits machte die Rekrutierung von neuen Kämpfern die Miliz anfällig für israelische Spione, die ihre Agenten platzierten, um nach möglichen Überläufern zu suchen. «Syrien war der Beginn der Expansion der Hisbollah», sagt Randa Slim vom Nahost-Institut in Washington. «Das schwächte ihre internen Kontrollmechanismen und öffnete die Tür für die Infiltration auf einem breiten Level.» Die Hisbollah wurde unvorsichtig.
Israel begann Profile von Spitzenleuten anzufertigen, die beispielsweise an Beerdigungen von gefallenen Kämpfern teilnahmen. Zudem hackten sich Agenten in libanesische Überwachungskameras sowie die Kommunikationssysteme der Gruppierung, wobei es ihnen möglich war, die Bewegungen der Hisbollah-Leute zu eruieren. Teilweise gelang dies über die Mobiltelefone der Ehefrauen.
Israel lernte, dass wenn immer man ein Abweichen von der Routine feststellte, ein möglicher Angriff bevorstand. So auch am vergangenen Freitag, als die Behörden erfuhren, dass Nasrallah auf dem Weg zu seinem «Kommando- und Kontrollbunker» war. Nachdem Israels Premierminister Benjamin Netanyahu grünes Licht gegeben hatte, warfen Kampfjets mehrere Bomben ab, die sich nach und nach zum Bunker vorarbeiteten. Da Nasrallah, dessen Leiche am Sonntag geborgen wurde, äusserlich keine sichtbaren Verletzungen aufweist, muss man davon ausgehen, dass er durch eindringende Gase erstickt ist. Das schreibt das israelische Nachrichtenportal «N12».