Wie Israel seinen nördlichen Feind gerade in Bedrängnis bringt, lässt sich nicht als «filmreif» bezeichnen. Denn bisher hat sich noch kein Drehbuchautor etwas Ähnliches wie den durchgetakteten Angriff gegen die Hisbollah ausgedacht, der in diesen Tagen die Welt in Atem hält: Erst sorgten die explodierenden Pager für tiefe Verunsicherung der libanesischen Öffentlichkeit und für eine Schwächung der schiitischen Miliz. Dann folgten die Bombardements der feindlichen Stellungen. Nächster Schritt war die militärische Kontrolle der libanesischen Flughäfen, um iranische Waffenlieferungen für die Islamisten zu verhindern, schliesslich kam es am Samstag zum Coup, als Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem Luftangriff in Beirut getötet wurde.
Der Terror der Hamas vom 7. Oktober 2023 hatte die israelischen Geheimdienste blamiert, jetzt sind sie mit aller Kraft zurück. Und die Menschheit steht vor der bangen Frage: Kommt es zu einem neuen Krieg?
Auch wenn biblischer Hass die Konfliktparteien trennt, so eint sie doch etwas: Sowohl die Regierung in Jerusalem als auch die palästinensische Hamas im Süden und die libanesische Hisbollah im Norden sind taub gegenüber den Mahnungen und Appellen der internationalen Gemeinschaft. Man mag dies im Falle Israels als Notwehr im Existenzkampf betrachten, als eine Art Selbstjustiz auf staatlicher Ebene, und doch lässt sich auch der Blutzoll nicht mehr ignorieren, den der Kriegskurs des Kabinetts Netanyahu mit sich bringt. Den grössten Preis zahlen die Zivilisten – auf allen Seiten.
Die diplomatischen Aufrufe der USA und ihrer Verbündeten verhallen in der heisstrockenen Luft der Gegend – wer hört noch darauf? Es ist kaum Zufall, dass die Eskalation während der Uno-Generalversammlung in New York begann, wo sich Regierungen mit salbungsvollen Friedenswünschen überbieten.
Die jüngsten Ereignisse sind das endgültige Zeichen, dass der Westen allmählich abdankt und seinen Einfluss in Nahost verliert. Das weltpolitische Drehbuch übernehmen andere.