Auf einen Blick
Sie sterben zu Hunderten. Nordkoreanische Soldaten stehen für Kremlchef Wladimir Putin (72) in der Ukraine im Einsatz. Doch laut Angaben der US-Regierung ist dieser Einsatz ein Desaster. Für Kim Jong-un (40), oberster Führer Nordkoreas, der sein Militär gerne als stark und bedrohlich inszeniert, ein ziemlicher Imageschaden – seine Truppen werden auf der Weltbühne als kampfunfähig entlarvt.
Doch diesen Kratzer im Lack nimmt Kim gerne hin. Mit dem nordkoreanischen Einsatz in Russland verfolgt der Diktator nämlich viel grössere Ziele: Er will zum globalen Strippenzieher werden. Der Freundschaftsdienst für Russland ist nur ein Schritt von vielen – unter anderem verhelfen ihm auch China und vielleicht sogar der künftige US-Präsident Donald Trump (78) zu seinem Ziel. Aber wie genau schafft Kim das?
China
Xi Jinping (71), der chinesische Machthaber, spielt eine grosse Rolle in der wachsenden Einflussnahme Nordkoreas. Denn angesichts der zunehmenden Rivalität mit den USA kann es sich China nicht leisten, in Konflikt mit Nordkorea zu treten. Das würde Instabilität in die Region bringen.
Und: Sollte Nordkorea zu schwach werden und – was zum jetzigen Zeitpunkt nicht wahrscheinlich ist – vom proamerikanischen Süden übernommen werden, wäre das für Xi ein Albtraum. Daher muss er alles tun, um Kim an der Macht zu halten. Die chinesische Regierung versorgt Nordkorea mit Nahrungsmitteln und Treibstoff.
Das alles ist überraschend: Noch vor einigen Jahren stand die Beziehung der beiden Staaten auf der Kippe – durch das wachsende Atomarsenal Nordkoreas fühlte sich China bedroht, trug sogar Uno-Sanktionen gegen das Land mit. Heute weiss China das stark militarisierte Nordkorea als perfekten Puffer zwischen den USA und China zu schätzen.
Russland
Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist Nordkorea für Putin unverzichtbar geworden. Das Land produziert nicht nur schwere Artilleriegeschosse, die Russland dringend braucht. Nordkorea ist auch der einzige Staat, der bereit war, diese Art von Munition in grossen Mengen an Russland zu verkaufen. Seit Anfang 2023 hat Nordkorea Millionen von Granaten sowie einige andere Waffen und Munition an die ukrainische Front geliefert, wie das Fachmagazin «Foreign Affairs» im Dezember berichtete.
Die Einnahmen aus diesem Deal werden auf 540 Millionen US-Dollar geschätzt, was fast 25 Prozent des gesamten Handelsvolumens Nordkoreas im Jahr 2023 ausmacht. Ende 2024 folgte dann die Entsendung von mindestens 11’000 nordkoreanischen Soldaten nach Russland. Putin äusserte sich zwar bisher nicht offiziell zum Aufenthalt der Nordkoreaner in Russland – auch nicht in seiner Jahresabschlussrede am Donnerstag.
Unter anderem könnte Nordkorea durch seinen Freundschaftsdienst Zugang zu fortschrittlichen russischen Militärtechnologien erhalten. Und mit der neuen diplomatischen Unterstützung Russlands ist Nordkorea international weniger isoliert.
USA
Ein überraschender Komplize in Kims wachsender Macht könnten die USA werden. Denn Trump ist Nordkorea – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – nicht abgeneigt. In einer Rede im Sommer sagte er: «Ich habe mich sehr gut mit Nordkorea, mit Kim Jong-un verstanden.» Damit spielt er auf seine drei Treffen zwischen 2018 und 2019 mit Kim an. Trump wolle versuchen, ein Abkommen mit dem nordkoreanischen Staatschef zu erreichen.
Die Konturen eines solchen Abkommens zeichneten sich bereits 2019 in Hanoi ab: Wenn Nordkorea sich bereit erklärt, einen erheblichen Teil seiner Nuklearanlagen abzubauen, würden die USA eine Reihe wirtschaftlicher Sanktionen aufheben. Das wäre ein Erfolg für die USA.
Aber: Trump sieht sich mit einer ganz anderen Weltlage konfrontiert als noch 2021 zum Ende seiner ersten Amtszeit. Kim Jong-un ist aufgrund der chinesischen und russischen Unterstützung sehr viel stärker als noch vor vier Jahren. Er könnte diese neu gewonnene Stärke dazu nutzen, das in Hanoi niedergeschriebene Abkommen zu seinen Gunsten abzuwandeln, erklärt Rachel Minyoung Lee von der Denkfabrik Stimson Center gegenüber CNN. Aber ein Trump, der Zugeständnisse macht? Es bleiben Zweifel.